© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Japanische Technologieexporte fehlen der deutschen Wirtschaft
Erdbeben und Globalisierung
Albrecht Rothacher

Die Dreifachkatastrophe vom 11. März erschreckte nicht nur die Rückversicherer. Auch die Endfertiger von Autos sowie optischen und elektronischen Geräten entdeckten mit Entsetzen, wie stark sie von Lieferanten in der nordjapanischen Provinz am Anfang der langen Lieferkette abhängig sind. Ursächlich waren nicht immer direkte Erdbebenschäden an den Fabriken, sondern auch Stromabschaltungen, Benzinmangel und Logistikengpässe in der komplex vernetzten japanischen Wirtschaft.

Den Krisenstäben wurde gewahr, daß fast ihre gesamte nach Asien verlagerte Produktion und ihre dortigen Zulieferer in gefährdeten Regionen beheimatet sind. Tokio, Osaka, Peking, Schanghai, Taipeh, Hongkong, Manila, Jakarta oder Mumbai (Bombay) sind erdbebengefährdet, die hafennahe Industrie Asiens zudem von Tsunamis bedroht. Es war eine Fügung des Schicksals gewesen, daß jenes größte Erd- und Seebeben der neueren japanischen Geschichte „nur“ die relativ gering industriell entwickelten Küstenpräfekturen Nordostjapans traf, deren Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) lediglich drei Prozent ausmachte.

Die derzeitigen Schadensschätzungen in Japan bewegen sich zwischen jenen der Weltbank von 86 bis 165 Milliarden Euro und denen der japanischen Regierung von 217 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Dies entspricht in etwa den bisherigen Kosten und Risiken der Eurorettungsschirme für den deutschen Steuerzahler – ganz ohne Erdbeben und Sturmfluten.

Im Falle Japans betragen die Wohlfahrtsverluste der Katastrophe danach bis zu 5,3 Prozent des BIP; in der Eurokrise sind es für Deutschland 7,9 Prozent des BIP. Zu einem Umdenken scheint die Bundesregierung nicht bereit zu sein. In den deutschen Vorstandsetagen dagegen scheint hingegen die Einsicht zu wachsen, die Exzesse der Globalisierung durch eine Diversifizierung der Lieferanten oder durch Rückverlagerungen strategischer Produktionen nach Europa zu korrigieren.

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