© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

CD: Resphigi
Die Pinien von Rom
Sebastian Hennig

In der Spanne von der Ausrufung der Diktatur Mussolinis (1925) bis zum Desaster des Griechenlandfeldzugs (1940) fühlten sich die meisten Italiener als Avantgarde in Europa. Dazu gehörte der modernisierte Mythos von der Urbs Romana. Den Soundtrack dieser kurzen Traumfabrik lieferte der in Bologna geborene Ottorino Respighi (1879–1936) mit seiner römischen Trilogie.

Dabei geriet das Werk erst einmal zwischen die Mühlsteine der entfesselten patriotischen Leidenschaften. Der erste Teil „Fontane di Roma“ sollte 1916 von Arturo Toscanini uraufgeführt werden. Ein Jahr nachdem Italien mit theatralischer Geste seine Bündnispartner verraten hatte. Bei einem Angriff der deutschen Luftwaffe nahe Padua waren Frauen und Kinder getötet worden. Während der Aufführung des Trauermarsches aus Wagners „Götterdämmerung“ erklang aus dem Auditorium der Ruf „Für die Opfer von Padua!“ Ein Tumult beendete das Konzert. Die Uraufführung konnte erst im darauffolgenden Frühjahr stattfinden und war nicht sehr erfolgreich.

Respighi ging in seiner Heimatstadt bei einem der ersten italienischen Wagner-Apostel in die Lehre. Um die Jahrhundertwende war er, wie auch Igor Strawinsky, ein Schüler von Nikolai Rimski-Korsakow in Sankt Petersburg. Der Russe war ein Meister in der Anwendung der Orchesterfarben und in dieser Hinsicht seinem Schüler ein großes Vorbild.

Arturo Toscanini setzte sich dann weiter für dessen Musik ein. Er dirigierte die amerikanische Erstaufführung des zweiten Teiles „Pini di Roma“. Die Pinien von Rom sind das Werk, mit dem Respighis Musik bis heute in den Konzertsälen überlebt hat. Zwischen den Reigen der spielenden Kinder unter den Bäumen der Villa Borghese hat der Komponist einen dissonanten Trompetenton gesetzt, der das Publikum irritierte. Doch mit seiner melodischen Beredsamkeit und farbigen Intrumentationskunst gelingt es ihm, die Zuhörer im Verlauf der vier Stücke immer mehr zu fesseln.

Zu den Pinien in der Nähe der Katakomben verwendet er Motive gregorianischer Choräle. Respighi hatte eine kenntnisreiche Beziehung zur alten Musik, war Herausgeber der Werke Monteverdis und Vivaldis, bearbeitete die Musik Johann Sebastian Bachs. Zum Schluß des Mondstückes der Pi-nien auf dem Gianicolo erklingt ein Nachtigallenschlag aus der Tonkonserve.

Gewaltig und heroisch das Stück über die Via Appia: Ein Heereszug nähert sich im Triumph der Stadt. Zu hören ist der „Rhythmus zahlloser Schritte“. Der dritte Teil des Triptychons nimmt den grandiosen Ton 1928 wieder auf. Die „Feste Romane“ beginnen mit dem Zirkus. Der Tod der Märtyrer in der Arena schließt diesen ersten Satz mit dem gewaltigen Zusammenspiel von Orgel und Orchester. Mit den römischen Festen betrachtete Respighi diese Art von Musik für sich als ausgereizt. Tatsächlich schuf er keine weiteren Orchesterwerke mehr.

Zuerst fällt an dieser Musik das Effektvolle und Gewaltsame auf. Erst bei eingehendem Hören erschließen sich die originellen Einfälle, das Zarte und Innige. Es handelt sich mehr um impressionistische Lokalstudien als um sinfonische Dichtungen. Unter der Leitung von John Neschling spielt das Sao Paulo Symphony Orchestra diesen musikalischen Baedeker der Stadt Rom.

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