© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Lockerungsübungen
Kein Anlaß für EU-Skepsis
Karl Heinzen

Ihre Leichtgläubigkeit ist drei prominenten Europaparlamentariern zum Verhängnis geworden. Journalisten der britischen Sunday Times hatten sich als Mitarbeiter einer Lobbyagentur ausgegeben, deren Kunden aus der Finanzbranche an einer Änderung der Anlegerschutzgesetzgebung interessiert wären. Ein lukratives Dankeschön vor Augen, erklärten sich Ernst Strasser, Abgeordneter der Österreichischen Volkspartei, sowie der Slowene Zoran Thaler und der Rumäne Adrian Severin, beide Angehörige der sozialistischen Fraktion, dazu bereit, im Sinne dieses Anliegens parlamentarisch initiativ zu werden. Um so größer war ihre Enttäuschung, als sie sich durch Veröffentlichungen der Sunday Times bloßgestellt sahen, die zudem noch heimliche Aufzeichnungen der vertraulichen Gespräche ins Internet stellte. Voller Verbitterung gaben Strasser und Thaler ihr Mandat zurück, einzig Severin will als nunmehr fraktionsloser Abgeordneter weiterhin den Wählerauftrag erfüllen.

Dieser Vorfall ist betrüblich, da er den EU-Skeptikern einen Vorwand bietet, die Integrität der europäischen Institutionen wieder einmal in Abrede zu stellen. Gleichwohl sollten Täter und Opfer nicht verwechselt werden. Einer krummen Tour sind die Undercover-Journalisten zu bezichtigen und nicht die arglosen Abgeordneten, die ihnen auf den Leim gingen. Man sollte daher eher über einen Verhaltenskodex für Medien denn einen solchen für Parlamentarier nachdenken. Es ist zudem absurd, den Beschuldigten zu unterstellen, sie wären auf Bereicherung aus gewesen. Wenn sie wirklich korrupt sein sollten, hätten sie als einstige Regierungsmitglieder in ihren Heimatländern einträglichere Möglichkeiten gehabt, in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Viele EU-Bürger lamentieren über eine vermeintliche Bürgerferne der Europaparlamentarier. Nicht beachtet wird dabei, daß die Beziehungen zwischen Wählern und Gewählten keine Einbahnstraße sind. Auch die Bürger können auf ihre Abgeordneten zugehen. Die Lobbyisten in Brüssel gehen hier mit gutem Beispiel voran. Ihre Zahl übersteigt mit schätzungsweise 15.000 jene der 736 Abgeordneten bei weitem. Die Parlamentarier müssen somit eine Auswahl treffen, wem sie Gehör schenken. Das beste Kriterium dafür ist, und dies sollte in einer Marktgesellschaft niemanden entrüsten, der Preis.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen