© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Haltungsnote
Ein Wahrer Preußens
Tilmann Wiesner

Die Preußen sind unter uns. Nicht nur in Wustrau, wo das private Brandenburg-Preußen-Museum von Ehrhardt Bödecker das Erbe des Königs wahrt, sondern auch in Letschin. In dem Oderbruch-Ort hat den Gastwirt Wolfgang Bartsch eine Leidenschaft für den Hohenzollernstaat gepackt, die ihn kürzlich sogar in Konflikt mit dem polnischen Staat brachte.

Laut dem Berliner Kurier hatte Bartsch in seiner Gaststube „Zum Alten Fritz“ eine Tafel aufgehängt, die von einem abgerissenen Wohnhaus in Küstrin stammte, in dem Preußens Kronprinz Friedrich – der spätere Friedrich der Große – von November 1730 bis Februar 1732 logierte. Dorthin hatte ihn sein Vater Friedrich Wilhelm I. verbannt, nachdem sein Fluchtversuch gescheitert war, mit dem er sich aus dem strengen Erziehungsregime des Soldatenkönigs befreien wollte.

Die östlich der Oder gelegene Festungsstadt Küstrin wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und fiel 1945 in polnische Hände. Die Gedenktafel war verschollen; sie wurde erst 1993 aus den Trümmern gefischt und von einem Sammler illegal nach Deutschland gebracht. Bartsch restaurierte sie liebevoll und gab ihr einen Ehrenplatz in seinem Gastraum.

Nun beansprucht der polnische Chef des Küstriner Stadtmuseums die Tafel für Polen. Als gütliche Einigung schlug er Bartsch vor, den polnischen Eigentumsanspruch anzuerkennen und die Tafel in Letschin zu belassen. Bartsch entgegnete: „Das Fragment ist kein Privat-, sondern preußisches Eigentum.“ Damit gab sich der Gastwirt als Anwalt des Völkerrechts und zugleich als Wahrer Preußens zu erkennen. Schon zu DDR-Zeiten stritt der Verehrer Friedrichs des Großen für die Wiederrichtung eines Denkmals seines Idols in Letschin. Der Husarenstreich gelang, weil sich auch im Sozialismus das Preußenbild wandelte.

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