© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Erinnerung an den sozialistischen Trümmerhaufen
Wiedervereinigung: Eine Gedenkveranstaltung im Finanzministerium erinnert an den ermordeten Treuhandchef Rohwedder und an die Arbeit der Behörde
Klaus Peter Krause

Die deutsche Vereinigung mit ihren Folgen ist ohne Blutvergießen ausgekommen – mit einer Ausnahme: dem Mord an Detlev Karsten Rohwedder, dem Präsidenten der sogenannten Treuhandanstalt. Der Mord geschah vor zwanzig Jahren, am 1. April 1991. Im Bundesfinanzministerium fand daher am vergangenen Freitag in Berlin zu Rohwedders Ehren eine Gedenkveranstaltung statt. Rohwedder wurde hinterrücks erschossen. Aufgeklärt wurde der Mord nie. Doch um die Mörder und Hintergründe des Mordes ging es bei der Veranstaltung nicht, sondern um Rohwedder, um seine hervorragende Persönlichkeit und zwangsläufig um die Rolle der Treuhandanstalt.

Nach dem Attentat auf Rohwedder übernahm dessen Amt die CDU-Politikerin Birgit Breuel. Das Motto hatte Rohwedder kurz so vorgegeben: „Schnell privatisieren, entschlossen sanieren, behutsam stillegen.“ Rohwedder habe damals „die größte Industrie-Holding der Welt“ übernommen, sagte Richard Schröder, als er jetzt über sie und Rohwedder sprach. Dieser selbst habe von einem „sozialistischen Trümmerhaufen“ gesprochen. Schröder war 1990 in der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer SPD-Fraktionchef gewesen. Alles dies lebte bei der Gedenkveranstaltung jetzt wieder auf, teils ausgesprochen, teils unausgesprochen. Dazu gehört auch die Tatsache, daß die Treuhandanstalt nicht nur höchst unbeliebt, sondern bei vielen geradezu verhaßt war.

Unverdient war der schlechte Ruf allerdings nicht. Doch davon kam bei dieser Veranstaltung nur in gelegentlichen, eher pflichtmäßigen Nebenbemerkungen etwas zum Ausdruck. Hier sollte vor allem Rohwedder gewürdigt werden. Doch geriet damit die Rückerinnerung zu sehr zu einer Selbstlob-Veranstaltung für all jene, die an der Treuhandarbeit und ihren auch vielen Fehlhandlungen mitgewirkt haben. Schröder versuchte, die Kritik an der Treuhand darauf zu reduzieren, Betrügereien habe es hier auch gegeben, die aber habe die Treuhand zu einem guten Teil selbst aufgedeckt. Ohnehin sei nicht zu erwarten gewesen, „daß die Lumpen und Betrüger in Deutschland weniger werden, weil die Einheit kommt“. Aber die wesentlichen Fehlhandlungen der Treuhand sind von anderer Art gewesen als Betrügereien. Davon berichten können jene, die ehrlich auftraten, um sich am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbau zu beteiligen, aber von der Treuhand daran gehindert worden sind. Das sparte Schröder aus.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) würdigte die Person Rohwedder als Vorbild. Otto Gellert, einst stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Treuhand, schilderte Rohwedders Arbeit als eine „Aufgabe von furchterregender Dimension“. Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel sprach ebenfalls von einer „Mammutaufgabe“ für Rohwedder; die Treuhand habe die schwierigste Aufgabe bei der deutschen Einheit zu bewältigen gehabt. Auch etwas Selbstkritik kam bei ihm vor:
„Gewiß, wir haben uns im Umfang der Aufgabe und in der Zeitdauer geirrt, jawohl, aber das haben andere auch. … Es hat länger gedauert und ist teurer geworden als erwartet, aber 17 Millionen Menschen leben heute in Freiheit und Demokratie, und die Sicherheit ist eine andere.“

Auch räumte er ein: „Es ist vielleicht ein Fehler von mir gewesen, mit dem Erblastentilgungsfonds die Privat- zu Staatsschulden gemacht zu haben.“  Aber das war nicht bloß „vielleicht“ ein Fehler, sondern es war wirklich einer, und zwar ein schwerer.

Doch zum schwersten Fehler äußerte sich Waigel lieber nicht: der Entscheidung der Bundesregierung unter Helmut Kohl mit Schäuble und ihm selbst, mittels zweier Lügen die Rückgabe der  Vermögenswerte an die politisch verfolgten Familien zu verhindern, die in der SBZ-Zeit von 1945 bis 1949 Opfer des kommunistischen Klassenkampfes geworden waren. Was die Kommunisten damals unter Vorwand enteigneten, wurde in der DDR zu „Volkseigentum“ und ging mit der deutschen Einheit in den Besitz der staatlichen Treuhand über, die es meistbietend zu verhökern hatte – der Staat, der sich Rechtsstaat nennt, als Hehler von Raubgut, der damit wie einst die Kommunisten eine schwere Verletzung des Eigentumsrechts begeht und vor allem schwerste Verbrechen gegen das Menschenrecht durch die Kommunisten nachträglich hinnimmt, indem er Unschuldigen die politische Rehabilitierung verweigert.

Später in einer Gesprächsrunde mit Johannes Ludewig, einst Koordinator im Kanzleramt für die neuen Bundesländer, hob dieser mehrmals hervor, wie schwer es damals gewesen sei, über Nacht Eigentümer von (anfangs) 8.500 Betrieben geworden zu sein und dafür Käufer finden zu müssen. Aber niemandem in der Runde fielen auch nur im entferntesten alle jene „Alteigentümer“ ein, die bereitstanden und liebend gern ihre Fabriken, Gewerbebetriebe und Agrarwirtschaften wieder übernommen hätten. Andere, selbst windigste Glücksritter und Betrüger, durften am Treuhandkuchen teilhaben, nur sie ausdrücklich nicht.

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