© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/11 08. April 2011
Feindbild Gaddafi Zum Streit um die humanitäre Intervention in Libyen gehört die Unbeirrbarkeit, mit der ein Großteil der Medien einmal mehr das Gut-Böse-Schema drechselt. Die Guten, das sind die Staatengemeinschaft und die Rebellen. Das Böse ist der Wüstendespot Gaddafi und sein raffgieriger Clan. Bei Raffgier und Korruption indes darf es nicht bleiben, da wären Gaddafi und die Seinen anderen korrupten Potentaten, gegen die keine Intervention angestrengt wird, zu ähnlich. Also bedarf es Alleinstellungsmerkmalen, die aus Gaddafi ein Monster machen, das zum Machterhalt sein Volk abschlachtet. Das Alleinstellungsmerkmal ist so schlicht wie einfach, es lautet: Gaddafi ist irrsinnig geworden. Hauptlautsprecher dieser Botschaft ist einmal mehr die Bild-Zeitung mit Überschriften wie: Bereitet der irre Despot seine Flucht vor? oder Das ist der irre Gaddafi-Clan. Für Arno Widmann von der Berliner Zeitung steht der wahnsinnige Gaddafi gar nur pars pro toto: In Wahrheit aber gibt es, so Widmann, Verrückte wie Gaddafi überall auf der Welt. Wir müßten uns selbst ansehen, dann wird uns klar, wie viele Verrückte wir hinnehmen und ertragen. Das wäre immerhin ein erster Schritt, wenn deutsche Journalisten anfingen, sich selbst anzusehen. Womöglich würde das zu der Einsicht führen, daß die Libyenberichte zwar Rückschlüsse auf ihren Geisteszustand zulassen, kaum aber als Ausweis eines kritischen Journalismus gelten können. Was würde diese Art Journalist eigentlich zu dem sagen, was Bernhard Zand, seit 2010 stellvetretender Leiter des Spiegel-Auslandsressorts, in der Züricher Weltwoche vom 5. Mai 2010 gesagt hat: Wirtschaftlich entwickelt sich Libyen explosionsartig. Es herrscht eine Aufbruchsstimmung, wie ich sie bisher nur in Dubai erlebt habe. Unzählige Ausländer aus der ganzen Welt sind da und wollen Geschäfte machen. Womöglich waren aus Sicht der Staatengemeinschaft nicht die richtigen Ausländer zum Geschäftemachen in Libyen. |