© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Vom Monopolgeld zum Freigeld
Geprägte Freiheit
Klaus Peter Krause

Unser Geld ist staatliches Monopolgeld. Der Staat mit seiner Zentralbank maßt sich an, allein darüber zu bestimmen, was seine Bürger als allgemeines Zahlungsmittel zu akzeptieren haben, nämlich nur sein staatliches Geld, das seine Zentralbank herausgibt. Überall herrscht ein staatliches Geldmonopol. Wenn der Käufer einer Ware oder Dienstleistung mit dem Monopolgeld bezahlt, muß der Verkäufer dieses Geld als Zahlungsmittel akzeptieren, er steht unter gesetzlichem Annahmezwang. Würde er, was ihm möglich ist, die Annahme verweigern, fände er keine Käufer mehr. Also beugt er sich dem Zwang.

Aber brauchen wir anderes als das staatliche Monopolgeld überhaupt? Muß so ein Geldmonopol sein? Ist das zwingend? Ist es nicht viel einfacher, nur mit einem einzigen Zahlungsmittel zu bezahlen, statt auch andere zur Auswahl zu haben? Einfacher ist es durchaus, aber Staatsgeld hat sich zusammen mit der herrschenden Geldordnung stets als schlechtes Geld erwiesen. Als Monopolgeld ist es keinem Wettbewerb um die Qualität ausgesetzt. Da es durch ein knappes Sachgut wie Gold nicht mehr gedeckt ist, läßt es sich – unabhängig von der Gütermenge – beliebig vermehren, ermöglicht es Geldschöpfung aus dem Nichts.

Was möglich ist, wird auch gemacht. Das Ergebnis: Aufblähen der Geldmenge, genannt Inflation. Sie erleichtert es dem Staat, sich zu entschulden, und ist damit zugleich eine schleichende Enteignung der Sparer. Hinzu kommt, daß der Staat mit seiner Zentralbank den Zins manipuliert und damit einen freien, den „natürlichen“ Marktzins aushebelt.

Beliebig vermehrbares Geld durch ein Staatsmonopol verliert an Wert, ist daher schlechtes Geld; nur knappes, frei entstehendes Geld – „freies Marktgeld“ – kann gutes Geld sein. Wenn die Wirtschaft in einer Demokratie eine freie Marktwirtschaft sein soll, braucht sie eine Geldordnung, die ebenfalls marktwirtschaftlich ist. Dagegen entfaltet eine Geldordnung mit staatlichem Monopolgeld gegenüber der freien Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung allmählich eine zerstörerische Kraft. Die staatlichen Maßnahmen als Reaktion auf die gegenwärtige Geldsystemkrise, die einseitig als Finanz-, Verschuldungs- oder Bankenkrise tituliert werden, zeigen das bereits.

Einer, der sich dafür einsetzt, das staatliche Geldmonopol abzuschaffen und zuzulassen, daß private Emissionsbanken konkurrierendes Privatgeld als Parallelgeld ausgeben dürfen, ist Norbert F. Tofall. Tofall lehrt an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und leitet den Politikkreis der Hayek-Gesellschaft. Seiner Meinung nach ist der Übergang zu einer marktwirtschaftlichen Geldordnung evolutionär möglich, braucht aber Zeit. Gerade deshalb ist es für Tofall „die wichtigste liberale Forderung von heute“, konkurrierende Privatwährungen sofort zuzulassen, das staatliche Geldmonopol sofort abzuschaffen und damit einen allumfassenden Währungswettbewerb zu ermöglichen.

Warum sofort? Es werde einige Zeit dauern, bis eine befriedigende Anzahl von privaten Währungsemissionsbanken parallel zum staatlichen Währungssystem entstanden ist, die eine ausreichende Menge von gutem Geld ausgeben könnten. Und die Menschen benötigten ebenfalls Zeit, den Umgang mit verschiedenen unterscheidbaren Währungen im Alltag zu lernen und diese parallel zu den staatlichen Währungen zu verwenden.

Das parallele Geld, das freie Marktgeld, kann sich nur behaupten, wenn es gutes Geld ist. Da niemand freiwillig schlechtes Geld annimmt und hält, wird der sich entwickelnde Währungswettbewerb auch den Staat dazu bewegen, besseres Geld zu produzieren. Wird schlechtes Geld produziert und gutes Geld verschlechtert, werden die einzelnen Menschen, dies bestrafend, zu konkurrierenden Geldproduzenten abwandern. Dies ist im derzeitigen staatlichen Papiergeldmonopol nur höchst eingeschränkt und in der Regel nur für reiche Menschen möglich.

Die individuelle Nachfrage nach gutem Geld wird bei einem allumfassenden Währungswettbewerb und der Möglichkeit für alle Menschen, die Produzenten von schlechtem Geld durch Abwanderung zu bestrafen, auch dazu führen, daß sich eine neue Geldordnung entwickelt. In dieser wären wegen des dann herrschenden Wettbewerbs die Möglichkeiten zur Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts beschränkt. Dadurch sänke die Wahrscheinlichkeit von gefährlichen Investitionsblasen.

In einem freien Marktgeldsystem haben die Menschen, wie der Ökonom Thorsten Polleit formuliert, die freie Wahl, was sie als Geld oder als allgemeines Tauschmittel akzeptieren wollen: „Was Geld ist, welche Qualität es hat und in welcher Menge es umläuft, wird bestimmt durch das freiwillige Angebot von Geld und durch die freiwillige Nachfrage nach Geld.“ Polleit ist der Chefvolkswirt der Bank Barclays Capital Deutschland. Ein freies Marktgeld würde seiner Meinung nach nicht zwangsläufig zu ungehemmter Geldmengenausweitung führen: „Die Geldnachfrager werden nur dasjenige Gut als Geld nachfragen, von dem sie erwarten, daß es gutes Geld ist. Recht schnell würde es im Marktgeschehen eine ungeplante Übereinkunft geben, die de facto festlegt, was Geld ist.“

Geld zum Beispiel in Form von bedruckten und beliebig vermehrbaren Papierscheinen oder in Form von ebenfalls beliebig vermehrbaren und (auch elektronisch) bereitgestellten Krediten wird sich daher nicht als Geld, nicht als allgemein akzeptiertes Tauschmittel etablieren können. Denn weil dieses Geld jederzeit beliebig und ohne Begrenzung vermehrt werden kann, ist seine Werthaltigkeit nicht gesichert. Und das Bankgeschäft würde sich in einem System des freien Marktgeldes aufspalten in ein Einlagen- und in ein Kreditvergabegeschäft; beide Geschäftsbereiche wären voneinander getrennt.

Wie sich der Neustart einer solchen Geldordnung bewältigen läßt, ohne daß dabei das Zahlungssystem zusammenbricht, vollzieht sich nach Tofall so: Der Neustart teilt den Zentralbanken eine neue Rolle zu. Sie sollen nur den Zahlungsverkehr sicherstellen, aber alles Folgende nicht mehr dürfen: nicht mehr das Geldmonopol haben, nicht mehr die Zinssätze manipulieren und damit die Preise auf den Finanzmärkten verzerren, keine Insolvenzen von Banken mehr verhindern und für Geschäftsbanken nicht mehr die Kreditgeber der letzten Instanz sein.

Wenn „systemrelevante“ Banken zusammenbrechen, muß nicht zwangsläufig auch zugleich der Zahlungsverkehr zusammenbrechen. Dennoch verlöre dadurch die Politik ein Drohmittel, mit dem bisher in der Bevölkerung Angst geschürt wurde, um das Retten angeschlagener Banken zu rechtfertigen. Aus diesem Grund scheint eine Trennung zwischen dem Einzelinteresse der Geschäftsbanken, vor Haftung und Insolvenz bewahrt zu bleiben, und dem Gesamtinteresse der Allgemeinheit, den Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten, sinnvoll. Die Aufgabe, den Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten, wenn Banken zusammenbrechen und in das Insolvenz­verfahren gehen, weist Tofall als „neue Rolle“ den Zentralbanken zu.

Wie soll das funktionieren? Erstens ist der Beschluß der G20 vom November 2008 zu revidieren, keine „systemrelevante“ Bank in die Insolvenz gehen zu lassen. Zweitens dürften sich die Regierungen nicht mehr von strauchelnden Banken erpressen lassen. Stattdessen sollten sie die Drohung mit dem Insolvenzantrag so parieren: „Bitte, macht das. Für euch Banken gilt das gleiche Recht wie für alle anderen Unternehmen auch.“

Drittens übernimmt der Staat, wenn der Insolvenzantrag gestellt ist, für die privaten Spareinlagen und für die Kredite, die die Bank an Unternehmen vergeben hat, die Garantie. Vom Staat jedoch nicht abgedeckt werden Zahlungsverpflichtungen der insolventen Bank an andere Banken, die nicht die Konten der Kunden der anderen Bank betreffen, sondern gegenüber der anderen Bank direkt bestehen.

Viertens wird die Zentralbank, sowie die insolvente Geschäftsbank den Insolvenzantrag gestellt hat, deren Insolvenzverwalter. Sie übernimmt dort die Führung und sorgt dafür, daß alle Zahlungen, für die eine staatliche Garantie vorliegt, ordnungsgemäß abgewickelt werden. Refinanziert werden diese Zahlungen wie auch gegenwärtig über die Zentralbank. Weder bricht dann sofort der Zahlungsverkehr zusammen, noch werden zeitgleich mit dem Insolvenzantrag einer solchen Bank die Computer abgestellt und die Leute entlassen. Durch einen Insolvenzantrag wird die rechtliche Abwicklung dieser Bank eingeleitet. Wer aber bestimmt über die Höhe des Zinses? Nach wie vor kann der Staat durch die Zentralbank für sein eigenes Geld Zinssätze festlegen. Die evolutionäre Entstehung einer marktwirtschaftlichen Geldordnung wird es jedoch mehr und mehr erschweren, eine Niedrigzinspolitik durchzusetzen, die zwangsläufig Investitionsblasen entstehen läßt. Denn die privaten Emissionsbanken könnten auf diese Zentralbankpolitik sofort durch höhere Zinsen reagieren, die sich auf Höhe des natürlichen Zinses einpendeln und die Geldnachfrage in ihre Privatwährungen lenken würden. Der Wert der staatlichen Währung sänke.

Und was geschieht dann? Der Staat müßte entweder die Steuern erhöhen oder sparen oder neue Kredite aufnehmen, wenn die Kaufkraft seiner Währung gesunken ist und er seine Ausga-ben decken will. Sollte er diese Kredite in der eigenen staatlichen Währung aufnehmen oder neues  Geld „schöpfen“, wird die private Nachfrage nach der staatlichen Währung und somit ihr Wert erneut sinken. Dem kann der Staat dann nur durch höhere Zinsen entgegenwirken, wodurch sich die Rückzahlung dieser Kredite jedoch verteuern wird. Letztendlich wird der Staat durch das Zulassen konkurrierender Privatwährungen gezwungen, eine nachhaltigere Haushaltspolitik zu verfolgen. Privatwährungen und Währungswettbewerb sind deshalb eine weit wirksamere Schuldenbremse als die Grundgesetzänderungen des Jahres 2009.

Für einige Ökonomen ist das freie Marktgeld das Ordnungssystem, das dem Staatsgeldmonopol ökonomisch-ethisch überlegen ist. Allerdings stünden vor der Abkehr vom Staatsgeld hohe Hürden. Zum einen hält Unwissen  über das Kreditgeldsystem davon ab, eine Reform des Geldsystems als dringlich anzusehen. Zum anderen wird die Abkehr vom Kreditgeldsystem eine schwere Anpassungsrezession auslösen, denn die volkswirtschaftliche Produktionsstruktur ist durch das Kreditgeldsystem geformt beziehungsweise verformt. Zudem geht mit einem Privatisieren des Geldsystems eine Vermögensumverteilung einher.

Diese Hürden erscheinen unüberwindbar. Die politischen Machthaber werden ihr Lebenselexier freiwillig nicht hergeben. Also eine Utopie, dieses freie Marktgeld? Nichts ist so aussichtslos, daß man nicht trotzdem zeigen muß, daß es eine Alternative gibt, für die es sich einzutreten und zu werben lohnt. Die Merkels dieser Welt und die Menschen, die von ihnen regiert werden, müssen wissen: Alternativlos ist das ruinöse Staatsgeldmonopol nicht.

 

Dr. Klaus Peter Krause, Jahrgang 1936, war Wirtschaftsredakteur der FAZ und ist heute als selbständiger Journalist und Autor tätig. Auf dem Forum schrieb er zuletzt über die Klimakonferenz („Kopenhagen darf kein Erfolg werden“, JF 50/09).

Foto: Ein fiktives Freigeldstück für Deutschland:  Privatwährungen müßten sich am Markt behaupten – ganz ohne staatliches Münzmonopol 

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