© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Leben ist Physik und Chemie
Richard Dawkins rennt gekonnt offene Türen ein
Holger von Dobeneck

Der bekennende Atheist Richard Dawkins ist treuer Parteigänger von Darwins Evolutionstheorie. Seine schärfsten Gegner sind die gläubigen Revisionisten, auch Kreationisten genannt, die die Bibel wörtlich nehmen. Ihrer Meinung nach hat die Erde höchstens ein Alter von 10.000 Jahren und alle Arten sind unveränderlich von Gott geschaffen. Natürlich gilt dies erst recht für Muslime – die Evolutionslehre gehört nicht einmal in religiös gemäßigten Staaten wie der Türkei zum Curriculum der Schulen.

Dies bezeichnet Dawkins in seinem jüngsten Buch als „Schöpfungslüge“. Mit der wissenschaftlichen Radiokarbonmethode  lasse sich unwiderlegbar feststellen, daß die Erde oder das Universum viele Milliarden Jahre alt ist. Das untermauern zumindest die paläogeologischen Fossilfunde, die in vielen naturkundlichen Museen ausgestellt sind. Wegen der Schärfe seiner Rhetorik erhielt Dawkins deshalb auch den Spitznamen „Darwins Rottweiler“.

Die Evolutionslehre geht philosophisch gesehen von der Heraklitischen Erkenntnis „Alles fließt“ aus, die auch Nietzsche inspirierte und ihn vom Tode Gottes reden ließ. Nach der Evolutionslehre gibt es keine essentialistischen Wesenheiten, und alle Lebensformen sind dem Wandel unterworfen. Belebtes und Unbelebtes ist keine Frage der Substanz, sondern ein darwinistischer Informationsprozeß der DNS. Der genetische Code ist allgemeingültig und bei Viren, Bakterien, Pflanzen und Menschen gleich. Das untermauert auch das berühmte Experiment von Stanley Miller, in welchem einfache chemische Substanzen wie Wasser, Methan, Ammoniak, Wasserstoff und Kohlenmonoxid einer elektrischen Ladung ausgesetzt werden und Aminosäuren entstehen lassen.

Auch profane Beispiele wie die „experimentelle Evolution“ durch den Menschen, Beispiele sind Rehpinscher oder Rosenkohl, nutzt Dawkins als Beleg gegen alle Angriffe auf die Evolutionstheorie. Diese offenen Türen einrennend, nutzt der prominente Kirchenkritiker das Weltbild religiöser Fundamentalisten wie schon in anderen Arbeiten, um mit seinen rhetorisch geschliffenen und wissenschaftlich unstreitigen Polemiken deren „Gotteswahn“ auf alle Gläubigen zu übertragen und diese damit in Mißkredit zu bringen.

Richard Dawkins: Die Schöpfungslüge. Warum Darwin recht hat. Ullstein Verlag, Berlin 2010, gebunden, 608 Seiten, 24,95 Euro

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