© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Frisch gepresst

Lehreralltag. Alltag einer neunten Klasse an einer deutschen Problem-Gesamtschule: hoher Ausländeranteil, niedrige Lernbereitschaft, null Allgemeinbildung. Ein Schüler glaubt, Hitler habe die Mauer gebaut, ein anderer kennt nur ein einziges Bundesland. Schüler werden wahlweise als Mißgeburt, Kartoffel, Jude oder Opfer beschimpft. Die Lehrerin, die diese Geschichten mit einem sarkastischen Blick zusammengetragen hat, vermutet, hinter ihrem Rücken unter anderem als Hurentochter beschimpft zu werden. Tarek beschimpft sie sogar direkt: „Sie haben überhaupt keine Titten.“ Die Lehrerin reagiert gelassen auf das Gesagte. Zum einen besitzt sie genug Zynismus, um die Situation ertragen zu können. Zum anderen hat sie die Gutmenschendenkweise noch immer nicht ganz abgelegt. So glaubt sie tatsächlich, es gäbe keine ethnischen, sondern nur soziale Probleme in den Rütlischulen dieses Landes. Die realsatirischen Geschichten stammen von „Frau Freitag“ – mehr als diese Anrede ist über die Autorin nicht zu erfahren, die irgendwo in Deutschland Kunst und Englisch unterrichtet. (rg)

Frau Freitag:  „Chill mal, Frau Freitag.“ Aus dem Alltag einer unerschrockenen Lehrerin, Ullstein Verlag, Berlin 2011, broschiert, 336 Seiten, 9,99 Euro

 

Flußwanderung. Beginnend im fränkischen Fichtelgebirge bzw. am Quellort der Weißen Elster bei Asch im Egerland bis an die Elbmündung bei Cuxhaven, haben „literaturfreundliche und kunstsinnige Gießereifachleute“ um Werner Klötzer mit einer Flußwanderung ihre ganz eigene Hommage an die vor zwanzig Jahren vollendete Einheit vorgelegt. Die Autorengruppe blickt vom Lauf des Saale-Nebenflusses auf lauter blühende Landschaften im Vogtland, bei Greiz, Gera oder Bernburg. Industriekultur spielt heute in diesen Orten, selbst unter Berücksichtigung von „wirtschaftlichen Leuchttürmen“ der neuen Länder wie Leipzig oder Halle allerdings nur mehr eine Nebenrolle, da die frühere deutsche Wirtschaftskernzone seit der Demontage der Sowjets nach 1945, spätestens dann nach der Wende als praktisch deindustrialisiert gelten kann. Das senkt ihre touristische Attraktivität natürlich nicht, genausowenig wie elbabwärts die der noch fast unentdeckten Kleinodien Tangermünde, Wittenberge und Boizenburg. (bä)

Werner Klötzer: Elster und Elbe. Eine industrie- und kulturorientierte Flußwanderung von der Elsterquelle bis zur Nordsee. Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2010, gebunden, 190 Seiten, Abbildungen, 14,90 Euro

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