© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Umwelt
Chemische Reaktionen
Michael Howanietz

Ob Bienensterben oder Importgemüse – Pestizide sind im doppelten Sinne in aller Munde, ohne bislang aber die erhofften Reaktionen der Politik angeregt zu haben. Dem will eine Initiative der britisch-französischen Health and Environment Alliance (HEAL) Abhilfe schaffen. Der Appell der Gesundheitsallianz richtet sich aber nicht an die politisch Verantwortlichen, sondern direkt an die Käufer, als die wahren Entscheidungsträger. Der HEAL-Ratgeber „Six steps to pesticide reduction“ will EU-Bürger von der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in ihrem Lebensumfeld abhalten. Immerhin, so HEAL in der Kampagne „Sick of pesticides“, können Pflanzenschutzmittel Krebserkrankungen auslösen.

Der an die Bürger gerichtete Alarmruf hat seine Ursache vor allem in der unverändert industriefreundlichen Chemikalien-Bewertung der EU-Gremien. Jüngstes Kapitel ist eine Aussendung der EU-Kommission zum angeblichen Verbot von sechs als hochgiftig eingestuften Chemikalien. Diese Darstellung rief heftige Reaktionen hervor, da es sich nicht um ein „Verbot“, sondern ausschließlich um eine verstärkte Regulierung handle. Die sechs Stoffe finden sich demnach nicht mehr in der für gefährliche Substanzen eingerichteten „Kandidatenliste“ (derzeit 46 Stoffe), sondern bereits in dem für noch einmal toxischere Chemikalien vorgesehenen „Anhang XIV“. Betroffen sind die Stoffe mit den kryptischen Namen 5-tert-Butyl-2,4,6-trinitro-m-xylol (Moschus-Xylol), Hexabromcyclododecan (HBCDD), 4,4-Diaminodiphenylmethan (MDA), Benzylbutylphtalat (BBP), Dibutylphtalat (DBP) und Bis(2-ethylhexyl)phtalat (DEHP), ein berüchtigter Weichmacher, vor dem Konsumentenschützer seit Jahren warnen. Und sie werden weiterhin warnen müssen, da für die sechs genannten Stoffe noch bis 2014 bzw. 2015 keine erschwerten Zulassungsbedingungen gelten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen