© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Ohne Berührungsängste
Linksextremismus I: München fördert einen einschlägigen Szenetreffpunkt
Felix Krautkrämer

Unter den Gruppen, die sich regelmäßig im Münchner „Kafe Marat“ treffen, herrscht blanke Empörung. Man sei doch nur „ein kleines alternatives Stadteilzentrum mit antirassistischer, antifaschistischer und antisexistischer Ausrichtung“, das sich sich gegen Rassismus, Faschismus, Sexismus und Homophobie engagiere. Doch anstatt diesem Engagement Respekt zu zollen, hat die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat Ende März in einem Antrag gefordert, die finanzielle Unterstützung des „Kafe Marat“ durch das Jugendamt einzustellen. Unterstützung erhält die Fraktion dabei vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der der rot-grünen Stadtführung vorwirft, über das „Kafe Marat“ Linksextremisten mit Steuergeldern zu fördern.

Die CSU beruft sich bei ihren Vorwürfen auf den bayerischen Verfassungsschutz. Laut der Behörde ist das „Kafe Marat“ „für die Mobilisierung autonomer Kreise“ von zentraler Bedeutung und wird von Linksextremisten als „Treffpunkt, logistisches Zentrum und Informationsbörse“ genutzt. Auch gibt es dort einen „Infoladen“, in dem linkextreme Szeneblätter wie Interim erhältlich sind. In dieser finden sich regelmäßig Bauanleitungen für Brand- und Sprengsätze.  

Zu den Gruppen, die das „Kafe Marat“ nutzen, zählen unter anderem das „Antifa Café“, von dem es enge Verbindungen zur „Autonomen Antifa München“ gibt, und das „Antirepkafe“ der linksextremistischen Gefangenenhilfsorganistaion „Roten Hilfe“. Obwohl diese Verbindungen des „Kafe Marat“ bekannt sind, erhält der Trägerverein „Zeit, Schlacht & Raum – Verein für Kultur im Schlachthof “ vom Sozialreferat einen jährlichen Mietzuschuß in Höhe von 39.308 Euro. Und genau das will die CSU nicht länger hinnehmen. Doch bei der Stadt wiegelt man ab. Das Münchner Jugendamt sieht keinen Grund dafür, die Förderung einzustellen. Es sei zwar möglich, daß im „Kafe Marat“ auch Personen mit radikalen Ansichten verkehrten, aber das könne „in einem Seniorentreff auch nicht ausgeschlossen“ werden, zitierte die Süddeutsche Zeitung (SZ) den Leiter der Abteilung Kinder, Jugend und Familie, Stefan Fischer.

Ähnlich sehen das die Mehrheitsfraktionen von SPD und Grünen im Stadtrat, die das Vorgehen der CSU als „Hexenjagd“ kritisieren. Die ganze Angelegenheit sei „gnadenlos aufgebauscht“, meint Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker, ein laut SZ ehemaliger Aktivist der Hausbesetzer-Szene. Und überhaupt sei der Verfassungsschutzbericht ein „Kampfinstrument der CSU“. Daß seine Ehefrau Angelika Lex die Verantwortlichen des „Kafe Marat“ als Rechtsanwältin vertritt, erwähnt Benker dagegen nicht. Hintergrund sind Durchsuchungen des Zentrums, bei denen die Polizei linksextreme Publikationen und Grillanzünder beschlagnahmte.

Für Josef Schmid, den Vorsitzenden der CSU-Fraktion, ist die Kritik nicht nachvollziehbar. Wenn staatliche Gelder fließen, müsse auch sichergestellt sein, daß diese nicht für demokratie-feindliche Zwecke mißbraucht werden. „Niemand kann verlangen, eine extremistische Schlange auch noch an unserem eigenen Busen zu nähren“, verteidigt Schmid den Antrag gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. 

Und das „Kafe Marat“ ist bei weitem nicht die einzige Einrichtung, die vom laxen Umgang der Stadt München mit der Gefahr des Linksextremismus profitiert. So erhält beispielsweise die „Fachinformationsstelle Rechtsextremismus in München“ über ihren Trägerverein „Feierwerk“ jährlich 75.900 Euro vom Sozialreferat (JF 3/10). Nutznießer dieser Förderung ist unter anderem Marcus Buschmüller, der langjährige Leiter des „Antifaschistischen Informations- und Dokumentationsarchivs (aida)“ (siehe Kasten), der als Anhänger der linken Szene in der Vergangenheit zwar mehrfach mit der Polizei aneinandergeriet, sich aber dennoch über eine Anstellung bei der Fachinformationsstelle freuen kann.

Im Rathaus selbst nimmt man es mit der Abgrenzung zum Linksextremismus offenbar ebenfalls nicht so genau. Anders ist es kaum zu erklären, daß von der Internetseite des Rathauses, genauer gesagt von der „Fachstelle gegen Rechtsextremismus“, die Oberbürgermeister Christian Ude (SPD)  untersteht, zu aida verlinkt wird. Und auch die Leiterin der Fachstelle, Miriam Heigl, die schon für marxistische und antideutsche Blätter wie Prokla und Jungle World zur Feder griff, hat offenbar wenig Berührungsängste mit dem linken Rand. 2007 wurde sie im Zuge der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm als Referentin für den Vortrag „Was ist Staat und welche Bedeutung hat Staat für unsere Kämpfe?“ angekündigt – Veranstaltungsort war das „Kafe Marat“.

 

aida

Aida sammelt nach eigenen Angaben „Informationen von und über neokonservative, extrem rechte und faschistische Gruppierungen“ und stellt diese für „antifaschistische Aktivitäten“ zur Verfügung.  Laut dem bayerischen Verfassungsschutzbericht (März 2011) werden die Aktivitäten maßgeblich durch Personen geprägt, „die dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen sind“. Zudem verlinke die Internetseite von aida, für die Vereinsvorstand Marcus Buschmüller verantwortlich zeichnet, zu linksextremistischen Organisationen, „insbesondere auch zu gewalt-orientierten linksautonomen Gruppierungen“.

Foto: Eingang zum „Kafe Marat“ in München: „Extremistische Schlange am eigenen Busen nähren“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen