© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Feuer ohne Ende
Kriminalität: In Hamburg will die Polizei mit einer neuen Offensive die nicht abreißende Serie von Brandanschlägen auf Autos eindämmen
Arnold Steiner

In der Nacht haben in Hamburg wieder Autos gebrannt …“, so oder so ähnlich beginnen die Nachrichten in der Hansestadt regelmäßig. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres gingen schon über 100 Fahrzeuge in Flammen auf. An einem einzigen Wochenende im März brannten gar 19 Autos. Am vergangenen Wochenende waren es 14 Fahrzeuge.

Bisher steht die Polizei den Brandstiftungen relativ hilflos gegenüber. Erfolge konnten nur sehr wenige gemeldet werden. Die genaue Zahl der Brandstiftungen wird unter Verschluß gehalten. Erschwert werden die Ermittlungen durch die Tatsache, daß kein klares Muster für die Taten erkennbar ist. Die Brände werden unregelmäßig und an völlig unterschiedlichen Orten in der Stadt gelegt. Selbst wenn Verdächtige festgenommen werden, geht die Anschlagsserie weiter.

Ebenso unklar wie die Identität der Brandstifter ist deren Motivlage. Ging man zunächst von politisch motivierten Tätern aus dem linksextremen Milieu aus, ist diese Theorie wohl derzeit nicht mehr zu halten, da kein klarer Zusammenhang zwischen den Brandanschlägen zu erkennen ist. Sie kommen nicht ausschließlich in den „besseren“ Wohngegenden der Stadt vor. Betroffen sind auch sozial schwache Stadtteile. Ebenso durchmischt wie die Tatorte ist die Auswahl der Fahrzeuge, die den Brandstiftern zum Opfer fallen. Keineswegs sind nur Nobelkarossen von den Brandanschlägen betroffen, wie es bei antikapitalistischen Anschlägen zu vermuten wäre. Zum Opfer fallen den Tätern auch Mittelklasse- und Kleinwagen aller Marken.

Angesichts der mageren Erkenntnislage und der schweren Zuordnung der Anschläge zu einer klaren Tätergruppe kann derzeit nur spekuliert werden, welche Motive hinter den Brandanschlägen stecken. Da es offenbar keinen klaren Täterkreis gibt, sind auch verschiedene Gründe für die Straftaten denkbar. So ist davon auszugehen, daß neben politisch motivierten Anschlägen, die es sicherlich geben wird, auch Rache, Eifersucht oder Geltungssucht als Anstoß für die Brandstiftungen in Betracht zu ziehen ist. Dies gilt um so mehr vor dem Hintergrund, daß Brandstiftungen an Autos kein neues Phänomen sind. Als Täter werden ebenfalls jugendliche Trittbrettfahrer vermutet, die durch die Straftaten bewußt einen Kick suchen. Offenbar üben dieser Kick und die geglaubte Verbindung zur linksextremen Szene eine besondere Anziehungskraft aus, die sich in den Gewaltexzessen entlädt. Beobachtet werden kann dieses Verhalten auch bei den in Hamburg regelmäßig stattfindenden Ausschreitungen im Schanzenviertel rund um die „Rote Flora“. Auch hier mischen sich völlig unpolitische Jugendliche unter die Linksextremen und beteiligen sich bewußt am Krawall. Diese unterschiedlichen Motive erschweren die Arbeit der Polizei.

Eine Sonderkommission unter dem Namen „Florian“ versucht, bisher ohne durchschlagenden Erfolg, die Täter zu ermitteln. Diese Sonderkommission wurde bereits Anfang 2010 unter dem damaligen Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) gegründet, nachdem es schon im Jahr 2009 zu 145 Brandstiftungen an Fahrzeugen gekommen war. Sie bestand zwischenzeitlich aus mehr als 200 Beamten. Zwar konnten die Polizisten hin und wieder Festnahmen vermelden, die Brände reißen aber nicht ab.

Der neue Innensenator Michael Neumann (SPD) will nun in die Offensive gehen. Mit einem ganzen Maßnahmenpaket will er dem nächtlichen Spuk ein Ende bereiten. Wie dieses Paket aussehen soll, bleibt bisher weitestgehend geheim, um mögliche Täter nicht zu warnen. Klar ist nur, daß Neumann die Polizisten dort einsetzen will, wo sie sich auch auskennen, damit diese ihre Ortskenntnis nutzen können. Neumann wird zügig Erfolge präsentieren müssen. Diese hatte er als Oppositionspolitiker stets eingefordert. Nun wird er sich selbst an ihnen messen lassen müssen. Die Hilflosigkeit des Senators wird jedoch aus der vorauseilenden Erklärung deutlich, in der er einräumt, daß angesichts der Vielzahl der Fahrzeuge in Hamburg ein flächendeckender Schutz nicht möglich sei. Es muß also davon ausgegangen werden, daß auch der Senator mit weiteren Brandanschlägen rechnet.

Foto: Brennendes Auto in Hamburg: Neben Linksextremisten zündeln immer wieder auch unpolitische Jugendliche

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