© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Utah im Goldrausch
USA: Gold- und Silbermünzen sollen wieder legales Zahlungsmittel werden / Wachsende Sorge über Geldpolitik der Notenbank Fed
Elliot Neaman

Vor vierzig Jahren betrug der Mindestlohn in den USA 1,60 Dollar. 1970 konnte man dafür eine Silber-Unze kaufen. Der heutige gesetzliche Mindestlohn von etwa sieben Dollar pro Arbeitsstunde ist nur noch eine fünftel Unze Silber wert. Warum sind diese Rechenspiele wieder brandaktuell? Weil die Zunahme der umlaufenden Dollarmenge seit der vollständigen Abkopplung vom Goldstandard 1973 dazu geführt hat, daß die Gehälter der US-Arbeitnehmer gemessen an harten und dauerhaften Vermögenswerten wie Gold und Silber immer weniger wert sind.

Vor zwei Wochen beschloß daher die Legislative von Utah, Abhilfe zu schaffen. Am 7. Mai tritt in dem Bundesstaat ein Gesetz in Kraft, das Gold- und Silbermünzen mit offizieller Prägung als legales Zahlungsmittel anerkennt. Das bedeutet, daß die 2,8 Millionen Einwohner von Utah künftig mit Gold- und Silbermünzen zum Realwert – statt zu dem aufgeprägten Nominalwert – einkaufen können.

Theoretisch könnte man dann etwa in einem Starbucks-Café in in der Hauptstadt Salt Lake City Silber gegen Kaffee tauschen – freilich ist kaum damit zu rechnen, daß Einzelhändler sich die entsprechenden Waagen und anderes Zubehör anschaffen werden. Aus ebendiesem Grund sieht das Gesetz des weiteren vor, daß der bundesstaatliche Steuerausschuß die Möglichkeit prüft, ein alternatives Währungssystem auf der Basis des Edelmetallwertes der Münzen zu schaffen – also eine Art neuen Gold- oder Silberdollar.

Vorerst wirkt sich das neue Gesetz für den Durchschnittsbürger von Utah (fast 90 Prozent Weiße, 60 Prozent sind Mormonen) in der Praxis nur insofern aus, als dadurch beim Verkauf von Gold- und Silbermünzen die Vermögensteuer entfällt. Das gilt freilich nicht für den nach Washington abzuführenden Anteil.

Der Zentralstaat droht aber ständig mit neuen Bestimmungen. So sollte laut einem Gesetzentwurf ab 2012 beim Verkauf von Gütern und Dienstleistungen ab einem Wert von 600 Dollar ein spezielles Steuerformular zu Pflicht werden. Da der Goldwert derzeit bei über 1.460 Dollar pro Feinunze liegt, wäre jeder Verkauf einer Goldmünze meldepflichtig geworden. Gegner dieser Steuer führen ins Feld, daß selbst in der überregulierten Europäischen Union der Verkauf von Goldmünzen von der Umsatzsteuer befreit ist (EU-Richtlinie 98/80/EG). Auf Initiative des kalifornischen Kongreßabgeordneten Dan Lungren von den Republikanern wurde der neue Besteuerungsplan aber schließlich abgewehrt.

Bemühungen, Edelmetalle als legales Zahlungsmittel anzuerkennen, hat es auch schon in Montana, Missouri, Colorado, Idaho und Indiana gegeben, sie sind aber bislang zumeist gescheitert. Das neue Gesetz in Utah ist eindeutig eine Reaktion auf die jüngsten Versuche der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die Staatsschulden durch den Verkauf von Schuldverschreibungen in dreistelliger Milliardenhöhe – die sie zu einem großen Teil selber aufkauft – zu „monetisieren“.

Man könnte die USA mit einer Aktiengesellschaft vergleichen, die 14 Billionen Aktien (Dollar) ausstehen hat und Woche für Woche weitere 80 Milliarden ausgibt. Die Kauflust des China- und des Japan-Konzerns (diese Länder investieren ihre Exportüberschüsse inzwischen vermehrt in anderen Anlagen) hat mittlerweile merklich nachgelassen, und die USA-Aktien haben ihre Attraktion selbst für einheimische Anleger verloren, wie erst jüngst die Entscheidung der renommierten Kapitalanlagegesellschaft Pimco zeigte, keine Schuldverschreibungen der Regierung mehr zu kaufen (JF 15/11).

Jede echte Aktiengesellschaft würde in einer solchen Lage schlußendlich bankrott gehen – der US-Regierung hingegen springt die Fed zur Seite und schreibt Schecks, um den Anschein der Zahlungsfähigkeit zu wahren. Ganz ähnliche Tricks wandte einst die Buchhaltung von Enron an, bevor der aufgeblähte Energiekonzern 2001 schließlich an seinen Bilanzfälschungen zugrunde ging.

Die unmittelbare Folge ist ein drastischer Preisanstieg bei Gütern wie Erdöl, Edel- und Industriemetallen, Textilien oder Getreide, die an den US-Dollar gebunden sind. Selbst wenn die nominelle Inflationsrate derzeit noch niedrig ist, bekommen die amerikanischen Verbraucher dies allmählich an der Tankstelle und an der Supermarktkasse zu spüren.

Der Aufschwung der konservativen Tea-Party-Bewegung und anderer Gruppen, die sich für die Rechte der Einzelstaaten stark machen, ist im Kontext eines landesweiten Protests gegen die als anmaßend empfundene Währungspolitik der Notenbank zu sehen. Auch die libertäre Bewegung des texanischen Kongreßabgeordneten Ron Paul (Republikaner) hat sich zu einem landesweiten Phänomen entwickelt (JF 5/11). Dieser neue Anti-Zentralismus findet Unterstützung bei all jenen Bürgern, die Opfer der verschiedenen ökonomischen Turbulenzen in der Folge der Weltfinanzkrise von 2008 geworden sind: hohe persönliche Verschuldung, fallende Immobilienpreise, Arbeitslosigkeit oder berufliche Unsicherheit und steigende Inflation. Während die Bürger ihre Schulden entweder bezahlen oder Bankrott anmelden müssen, wurde schon unter Präsident George W. Bush für Großbanken und Versicherungskonzerne ein milliardenschweres Rettungspaket nach dem anderen geschnürt, und die Regierung häuft einen Riesenschuldenberg an.

Daß die hochentwickelten Volkswirtschaften jemals zum Goldstandard zurückkehren werden, glaubt derzeit kaum jemand. Falls es doch dazu käme, würde der Goldpreis nach Meinung von Gold-Enthusiasten auf 5.000 Dollar und mehr pro Unze in die Höhe schnellen. Indes bedeutet ein Edelmetallstandard, daß der Wert des Geldes an Gold und Silber gebunden ist – nicht umgekehrt. Dahinter steht die Absicht, die Geldvorräte begrenzt zu halten. Nach Artikel 1, Abschnitt 8 der US-Verfassung hat der Kongreß das Recht, „Münzen zu prägen, ihren Wert und den Wert fremder Währungen zu bestimmen und Maße und Gewichte zu normen“.

Konkret bedeutet das, daß die Regierung genau festlegt, wieviel Gramm Silber eine Dollarmünze enthält. „Dollar“ ist dann eine feststehende Bezeichnung für ein bestimmtes Gewicht an purem Silber. Mit ihrem Bestreben, zur ursprünglichen Intention der Verfassung zurückzukehren, läuten Bundesstaaten wie Utah die erste Runde in dem Kampf ein, das Rad der Währungsgeschichte der letzten Jahrzehnte zurückzudrehen.

 

Prof. Dr. Elliot Neaman lehrt Neuere europäische Geschichte an der University of San Francisco.

Foto: Goldbarren als stabile Wertanlage: Die neue Dollar-Schwemme führt zu einem drastischen Preisanstieg bei Gütern wie Erdöl, Edel- und Industriemetallen, Textilien oder Getreide

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