© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Klonfleisch darf in der EU weiter verkauft werden
Unappetitlicher Beschluß
Harald Ströhlein

Gourmets dürfen aufatmen: Die kulinarische Fleisch- und Wurstvielfalt – frisch aus deutschen Landen – bleibt ihnen erhalten. Nach monatelangem Gezetere auf höchster EU-Ebene über die Handhabe von Klonfleisch bleibt alles beim alten: Demnach dürfen nach der Verordnung über „neuartige“ Lebensmittel aus dem Jahre 2007 beispielsweise Fleisch und Milch von Nachkommen klonierter Tiere weiter verkauft werden; sogar eine Kennzeichnungspflicht dieser exotischen Köstlichkeiten ist nicht erforderlich.

Warum EU-Parlamentarier, Kommissare und Ministerräte keinen gemeinsamen Nenner fanden, liegt einmal mehr an den differenten Standpunkten und Eigeninteressen. Wie ein Fels in der Brandung stand das unerschütterliche Dogma aus dem Lager der Klon- Protagonisten, ein Bann dieser Produkte für den EU-Lebensmittelmarkt zöge eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO nach sich.

Und gegen diesbezügliche Warnungen des EU Handelskommissars Karel De Gucht vor einem Importverbot für Klonware aus Drittländern wie den USA hatten die Klongegner nur die Tierschutzproblematik entgegenzusetzen. Fakt ist, daß ein nennenswerter Anteil an Jungtieren klonierter Eltern kurz nach der Geburt oder in den ersten Lebenswochen entweder aufgrund diverser Krankheiten oder Mißbildungen verendet. Selbst der vor diesem Hintergrund vom Agrarbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland an die EU-Hoheiten gerichtete Appell, daß „aus tierethischer Sicht deutliche Grenzen gegen die ungezügelte Kommerzialisierung der Tierproduktion gezogen werden müssen“, schien angesichts des nun erfolgten Entscheids zu verhallen.

Wollte man die politische als auch die ethische Sichtweise außen vor lassen, bliebe noch die nüchterne Wissenschaft wie beispielsweise in Körperschaft der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) oder der britischen Food Standards Agency, die unmißverständlich Stellung bezieht: Demnach werden Fleisch und Milch von im Labor erschaffenen Wesen mit jenen Produkten aus der konventionellen Züchtung als gleichwertig angesehen.

Wenn dem so ist, ließe sich der Kreis mit der ebenso sachlichen Marktwirtschaft schließen. Nach deren Gesetzgebung wäre dann nämlich ein Inverkehrbringen von Lebensmitteln von Nachkommen geklonter Tiere so überflüssig wie ein Kropf. Denn sowohl für Fleisch als auch für Milch liegen die in der EU erzeugten Mengen im grünen Bereich. Einen Versorgungsengpaß, der solch dubiose Produktionswege rechtfertigen würde, gibt es nicht.

Auch wenn weltweit „nur“ rund 4.000 Klone – darunter 200 in der EU und 50 in Deutschland – existieren, sind es derer zu viele. Es wäre der zweite Weg, eine Deklaration von derart geschaffenen Lebensmitteln einzufordern. Zuvorderst stünde das Verbot – ohne Wenn und Aber!

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