© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Wenn ein Schmetterling träumt
… holen wir uns womöglich nasse Füße: Ein „Extremwetterkongreß“ will auf langfristige Prognosen verzichten
Richard Stoltz

Kachelmann wirft lange Schatten. Der TV-Wetterfrosch war ja bekannt für seine nicht nur charmanten, sondern auch ausgesprochen langfristigen Voraussagen, besonders wenn es um zu erwartende Schönwetterlagen ging. Seitdem er nun selber in ebenso langwierige wie schwer prognostizierbare juristische Händel verstrickt ist,  hat offenbar das Vertrauen der Fachwelt in langfristige Wetterprognosen rapide abgenommen.

Die zeitliche Konkordanz der Ereignisse mag zufällig sein, ist aber doch bemerkenswert. Mit ätzender Schärfe hat sich jetzt der in Hamburg tagende „6. Extremwetterkongreß“ führender Meteorologen von jeglicher „langfristiger Wettervorhersage“ abgewandt. In einer aggressiv formulierten „Hamburger Erklärung“ erteilt er jeglicher Langzeitprognose eine schneidende Abfuhr. Vorhersagen über Wochen, gar Monate hinweg seien „zutiefst unseriös“, wie rhetorisch perfekt sie auch formuliert sein mögen, Punktum!

Wetter entstehen eben nicht, wie das Klima, aus Sonnenflecken oder ähnlichen kosmischen Vorgängen, sondern es sind höchst irdische Kinder des Zufalls, wie die moderne Chaosforschung schon seit längerem festgestellt hat. Da sitzt etwa ein klitzekleiner,  hauchfeiner Schmetterling auf einer Kirschblüte im fernen Japan und bewegt träumerisch das Flügelchen – und genau aus solchen winzigen Anstoßbewegungen, lehrt die Chaosforschung, entstehen Luftbewegungen, die sich zu gewaltigen Großwetterlagen zusammenballen können.

Ein Schmtterling in Japan träumt – und wir hier in Mitteleuropa kriegen deshalb am Ostersonntag ein wüstes Gewitter und holen uns nasse Füße. Das kann keiner voraussagen, auch der verwegenste Wetterfrosch nicht.

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