© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Denk positiv!
Kino-Dokumentation: „Glücksformeln“ von Larissa Trüby
Claus-M. Wolfschlag

Jeder ist seines Glückes Schmied“, lautet ein altes Sprichwort. Und die junge Regisseurin Larissa Trüby scheint diese Erkenntnis mit ihrem Dokumentarfilm „Glücksformeln“ bestätigen zu wollen. Darin versucht sie der Frage nachzuspüren, ob es einen Schlüssel zum menschlichen Glück gibt. Verändert sich unser Empfinden des Glücks im Laufe des Lebens? Gibt es Techniken, das Glücklichsein zu erlernen? Als Feststellung am Anfang des Films steht, daß menschliche Wahrnehmungen nie neutral sind, vielmehr beeinflussen seelische Stimmungen auch unsere Sicht auf die Welt.

Trüby hat Menschen in verschiedenen Lebensphasen besucht, befragt und begleitet. Ihre Aufnahmen ermöglichen Einblicke in deren Leben. Man begegnet dem 11jährigen Luis beim Spiel, der sich Gedanken über das Erwachsenendasein macht, also über ein späteres Leben, das nur noch von Arbeit bestimmt ist, von steter Organisation, und das viel weniger Zeit für das Treffen mit Freunden lassen wird. Ihm gesellen sich bald die joggende Abiturientin Janina (19), die von den ökonomischen Sicherheitswünschen ihrer Generation berichtet, der in Berlin wirkende Musiker Philipp (34) sowie Wiebke und Marc, ein Paar in den Vierzigern, hinzu. Martin und Margarete (beide 71) berichten in den bayerischen Bergen von Höhen und Tiefen ihrer 45jährigen Ehe. Schließlich begleitet man noch den 90jährigen ehemaligen Fabrikarbeiter Leo, der trotz des Todes seiner Frau im Lebensabend seinen Frieden gemacht hat, sich für Kunst interessiert und Kinder mit ganz neuen Augen entdeckt. Er berichtet von härteren Zeiten und der Kunst, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Den Einblicken in das Leben dieser „Normalbürger“ sind Stellungnahmen diverser internationaler Wissenschaftler zwischengeschnitten. Es sind dies meist Psychologen, aber auch Neurologen und Soziologen, die sich mit dem Phänomen „Glück“ beschäftigt haben. Hinzu kommt der Heidelberger Lehrer Ernst-Fritz Schubert, der seit 2007 das Fach „Glück“ unterrichtet, und für den künstlerischen Bereich die Malerin Oda Jaune, einstige Ehefrau Jörg Immendorffs.

Dabei wird die Rolle der Gene, des Umfelds, der Kultur ebenso angesprochen wie Erfahrungen der frühen Kindheit sowie wirtschaftliche und chemische Prozesse. Man erfährt, daß junge und alte Menschen sich am glücklichsten fühlen, während die Glückskurve in der Mitte des Lebens durch eine Senke geht. Viel hat das mit dem Gefühl von Unfreiheit, sei es in Beruf oder Familie, zu tun. Man sieht auch eine Weltkarte des Glücks, die aufgrund empirischer Glücksforschung gezeichnet wurde.

Larissa Trüby nahm ihr Projekt in Angriff, nachdem sie 2009 an der jährlichen Glückskonferenz in Sydney teilgenommen hatte. Und es scheint, als möchte sie die ganze Bandbreite ihres Könnens mit dem Film darlegen. Langsame Einstellungen wechseln mit sehr kurzen Schnitten im Videoclip-Stil, Stadtmomente mit Landschaftsszenerien. Dabei bleibt das Geschehen sehr spielerisch, auf die Erzeugung sinnlicher Bilder konzentriert, während sich der wissenschaftliche Informationsgehalt eher in Grenzen hält.

Dennoch erfährt der Zuschauer einiges von den Möglichkeiten, den eigenen Blickwinkel zu erweitern, somit zum Schmied des eigenen Glücks zu werden. Dies geht etwa über den Rückgriff auf unsere Urnatur als Jäger und Sammler. Die Bewegung des Körpers in der Natur, die Gemeinschaft, Fleisch über offenem Feuer bratende Männer, familiäre Rituale – all dies kann uns helfen, das Glück zu finden.

Glück ist nicht mit Wohlstand gleichzusetzen. Zwar mag dieser prozentual zum Glück beitragen, doch auch arme Menschen können ein erfülltes Leben führen, wie Reiche ein unerfülltes. Geld macht auch nicht automatisch glücklicher. Das Glück habe vielmehr mit der Pflege von Beziehungen zu tun, mit dem Umsetzen eigener Stärken und Ziele, mit positivem Denken und mit viel Disziplin. Es sei die Dankbarkeit, die den Blick vom Ich zum Du öffne, die gar den Zugang zu Spiritualität und Religion ermögliche. Wir sind also auch die Schöpfer unserer Realität.

Fotos: Glück beim Wandern: Martin und Margarete Hofer sind seit 45 Jahren ein Paar, Glück beim Marathon: Abiturientin Janina Heid; Glück in der Kunst: Malerin Oda Jaune

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