© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Der Kaiser soll sich anziehen
Konservative wollen Kabarett machen
Baal Müller

Seit seinen Ursprüngen im Paris des ausgehenden 19. Jahrhundert stichelt das politische Kabarett gegen Obrigkeit und Spießertum, wobei die ideologischen Fronten meist eindeutig verliefen: Ziel des Spottes waren Regierung, Militär, Kirche, Adel und konservatives Bürgertum; die Stoßrichtung erfolgte aus linksliberaler Perspektive. Was aber, wenn die Bastionen der „alten Mächte“ geräumt sind und überall Vertreter des Fortschritts herrschen? Um sich selbst zum besten zu halten, fehlt den Vorwitzigsten der Humor; also schießen sie sich auf die offiziellen Feindbilder („rechte Spießer“) ein oder begnügen sich mit Klamauk.

An die Tradition subversiver Kleinkunst sucht nun ein Berliner Projekt unter zeitgemäß verändertem Vorzeichen anzuknüpfen, dessen Initiatoren sich am vergangenen Sonntag zur ersten konstituierenden Sitzung trafen: „Wer über die politische Situation nicht weinen will, sollte wenigstens darüber lachen können. Sie bietet ein fast unbegrenztes Repertoire an Stoff, das von linken Kabaretts schlichtweg ignoriert wird“, sagte Sebastian Maack, der von der Resonanz überrascht war – sogar aus der Schweiz sei ein potentieller Sketche-Autor angereist.

Das Projekt versteht sich als Netzwerk, dessen Autoren über eine Wiki-Plattform zusammenarbeiten; die ersten Stücke sollen im Herbst in kleinerem Kreis aufgeführt werden. Mit dem allmählichen Wachsen des Programms soll sich bis dahin auch der Name des Kabaretts ergeben. Die öffentliche Premiere ist für das erste Halbjahr 2012 geplant.

Da die Arbeit bis auf weiteres ehrenamtlich geleistet wird, sollte sie auf möglichst viele Schultern verteilt werden, weshalb nicht nur weitere Autoren und Darsteller, sondern auch Mitwirkende für die Bereiche Ton, Beleuchtung und Requisiten, Probenkoordination, Web-Administration und Buchhaltung sowie nicht zuletzt für den Sicherheitsbereich gesucht werden.

Obgleich politische Kunst heute wieder ein Wagnis ist und den konservativen Berliner Kabarettisten der Wind ins Gesicht wehen wird, ist Subversion für sie, anders als für die linksanarchistische Opposition von vorgestern, kein Selbstzweck: Rufen sie „der Kaiser ist nackt“, so ist dies keine Aufforderung an die Allgemeinheit, sich ebenfalls auszuziehen, sondern an den Kaiser, seine Gewänder wieder anzulegen.

Weitere Informationen oder Mitarbeit: maack@der-rechte-pfad.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen