© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

In kleinen Schritten denken
JF-Serie Rekonstruktionen (7. Folge): In Zerbst wird ein barocker Schloßflügel restauriert
Claus-M. Wolfschlag

Zarin Katharina II. von Rußland wurde 1729 als Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst-Dornburg in Stettin geboren. Ihre Jugend verbrachte sie unter anderem im anhaltinischen Zerbst, und von dort aus machte sie sich einst auch auf die Reise nach Moskau, um den russischen Thronfolger zu ehelichen.

Ihr Name ist bis heute nicht verblaßt, seit letztem Sommer ziert gar eine 4,70 Meter große Bronzestatue der Zarin den Zerbster Schloßgarten. Verblaßt ist indes die Bedeutung der Stadt Zerbst. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts starb die Fürstenlinie Anhalt-Zerbst aus, die einst kulturell blühende Residenz fiel in einen Dornröschenschlaf. Ihr Inferno erlebte die Stadt mit dem Zweiten Weltkrieg. Alliierte Luftangriffe und Artilleriebeschuß zerstörten sie am 16. April 1945 zu 80 Prozent. Vier Tage brannte es, zurück blieben nur Restbestände an historischer Bausubstanz – die Stadtmauer, ein paar Kirchen, einige Fachwerkbauten und Barockpalais –, die später fast verloren neben zahlreichen wuchtigen Plattenblocks aus DDR-Zeiten wirken.

Das barocke Zerbster Schloß, in dem Katharina gelebt hatte, brannte vollständig aus, die kostbare Innenausstattung wurde vernichtet. Ein Wiederaufbau der Dreiflügelanlage wäre sicher möglich gewesen, doch entschieden sich die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung statt dessen für die Sprengung von Westflügel und Corps de logis. Den schwer beschädigten Ostflügel ließ man stehen und überließ ihn jahrzehntelang sich selbst. Die Witterung und zerstörungswütige Jugendliche gaben der Ruine den Rest, bis sich 2003 der „Förderverein Schloß Zerbst“ gründete, der sich die Sicherung des Schlosses und den Wiederaufbau auf die Fahne geschrieben hat. Mittlerweile zählt der Verein 217 Mitglieder, darunter Projektliebhaber aus Kanada und den USA.

Vieles ist seit der Vereinsgründung in mehreren Baumaßnahmen geschehen. Ein Notdach wurde aufgebracht, Zwischendecken eingezogen, Fußböden saniert, Türstürze aufgemauert, einzelne Räume für eine öffentliche Nutzung hergerichtet. Derzeit baut man an einem zweiten Treppenhaus. Dennoch ist man von einer Wiederherstellung des Schlosses „angesichts der dramatisch einbrechenden öffentlichen Förderpolitik“, so Vereinsvorsitzender Dirk Herrmann, noch weit entfernt. „Der Förderverein kann die Sicherung des bestehenden Gebäudes realisieren, solange Fördergelder fließen, parallel wird weiterhin nach Investoren gesucht, die den Innenausbau vornehmen, eventuell sogar eine Rekonstruktion von West- und Hauptflügel“, so Herrmann. Hierzu wurden auch Kontakte nach Rußland geknüpft, bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Für die Identität der Stadt Zerbst wäre ein Gelingen dieser Bemühungen indes von unschätzbarem Wert. www.schloss-zerbst-ev.de

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