© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die Vernunft zeigt Flagge
Henning Hoffgaard

Wer sind diese Leute? Was wollen sie? Und kommen sie in Frieden? Die Fragezeichen in den Augen der umstehenden Touristen werden immer größer. Das ändert sich auch dann nicht, als sie erfahren, worum es den Demonstranten am Samstagmittag vor dem Reichstag geht: „Der Euro-Rettungsschirm muß weg.“

Viele der Umstehenden können damit nichts anfangen. Ein älterer Herr ärgert sich furchtbar über die Kundgebung. „Das ist alles viel zu national“, schimpft er und hält einer Demonstrantin wütend vor, wie sehr Deutschland von den Zahlungen an die EU-Pleitestaaten profitiere: „Die Bundesrepublik ist schließlich Exportweltmeister.“ Selbstzufrieden grinst er die ältere Dame an. Die antwortet ihm ruhig, daß Deutschland schon lange vor dem Euro eine erfolgreiche Wirtschaftsnation war, und fragt den Mann, ob denn seine Kinder für die Schulden der Südeuropäer aufkommen sollten. Schachmatt. 

Es sind solche Szenen, die die Demonstranten in ihrer Sache bestärken. Vor einer Woche waren es noch 20, jetzt sind es schon doppelt soviele, sagt Organisator Steven Meissner stolz. Jedes Wochenende will er gegen den Rettungsschirm auf die Straße gehen. Bis Ende Mai sollen über 100 Leute mobilisiert werden. Gekommen ist eine bunte Mischung, erkennbar an den zahlreichen weißen Schirmen, die mit eurokritischen Losungen beschriftet sind. Die meisten Demonstranten sind zwar sehr besorgt, aber auch sichtbar stolz darauf, daß sie der verhängnisvollen Entwicklung nicht tatenlos zuschauen.

Zur Demonstration aufgerufen hatte die „Partei der Vernunft (PdV)“. Die  schon 2009 vom Focus-Money-Redakteur Oliver Janich gegründete radikalliberale Truppe hat sich klassische FDP-Themen auf die Fahnen geschrieben: Weg mit dem ausufernden Sozialstaat, Freihandel aller Orten und Kampf der Bürokratie. Noch ist die Gruppierung allerdings bei keiner Wahl angetreten. Berührungsängste mit anderen Parteien hat die PdV indessen nicht. So sind auch Anhänger der Partei „Die Freiheit“ von René Stadtkewitz dem Demonstrationsaufruf gefolgt. Allen Anwesenden geht es schließlich um die gemeinsame Sache. Und bei der bleibt man hart: „Alle Versprechen wurden gebrochen“, ruft Meissner. Ohne Rücksicht opfere die Regierung das Volksvermögen. Die Republik stehe am Abgrund, nun müsse verhindert werden, daß Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einen Schritt weiter gehen.

Die werden von diesem Appell vermutlich kaum Kenntnis genommen haben. Zwar startet die Demonstration vor dem Kanzleramt, doch Merkel ist gar nicht da. Die Demonstranten stören sich daran nicht, an einen Erfolg glaubt sowieso keiner so recht. Aber Flagge wollen sie dennoch zeigen, und sei es nur, damit sie ihren Kindern später sagen können, sie hätten sich gewehrt, als der „Ausverkauf Deutschlands“ beschlossen wurde. Und aus diesem Grund wollen sie am nächsten Samstag wiederkommen.

Weitere Informationen im Internet unter:  www.parteidervernunft.de

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