© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

„Heute ist Zahltag“
Finnland: Nach dem Wahlerfolg der rechten „Wahren Finnen“ wird die politische Landkarte neu gestaltet
Anni Mursula

Die Umfragen hatten es zwar vorausgesagt, doch mit einem solchen Ergebnis hatten nur wenige gerechnet: Mit 19 Prozent der Stimmen sind die rechten „Wahren Finnen“ (PS) bei der Parlamentswahl zur drittstärksten Partei Finnlands aufgestiegen. Damit hat die „Meteoritenpartei“ ihre Sitze im Reichstag (39) innerhalb von vier Jahren verachtfacht, während alle übrigen Parteien Verluste verzeichneten. Größte Fraktion wurde mit 20,4 Prozent (44 Sitze) die konservative Sammlungspartei (Kok) unter Jyrki Katainen, dem vermutlich künftigen Ministerpräsidenten.

Zwar überraschte der Rechtsruck nahezu alle Parteien, doch niemand außer den Grünen (Vihr), die mit 7,2 Prozent ein Drittel ihrer Mandate einbüßten, schien darüber richtig schockiert zu sein. Im Gegenteil: Die Verliererin des Abends, Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi von der ländlich-liberalen Zentrumspartei (Kesk), deren Fraktion mit 15,8 Prozent nur noch auf Platz vier landete, betonte, das Volk habe seine Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht. Auch Jutta Urpilainen, Chefin der Sozialdemokraten (SDP), die mit 19,1 Prozent zweitstärkste Kraft wurden, war noch am Wahlabend von der Regierungsbeteiligung der PS überzeugt: „Das finnische Volk hat deutlich gesprochen, da brauchen wir nicht groß drum herum reden.“

Mit einer Regierungsbeteiligung rechnet auch PS-Chef Timo Soini, der seinen Sitz im EU-Parlament vermutlich gegen ein Ministeramt eintauschen wird. „Seit vierzehn Jahren bin ich Vorsitzender der Wahren Finnen – heute ist Zahltag“, sagte Soini bei einer Wahlfeier, „jetzt haben wir Abgeordnete in jedem Wahlkreis.“

Sollten die „Wahren Finnen“ der künftigen Regierung angehören, würden sie laut Soini dafür sorgen, daß diese wieder stärker auf konservative Werte setze. Dies solle sich zum Beispiel an der Bedeutung der Familie, dem Erhalt von Sitten und Moral sowie dem Durchsetzen von Gesetz und Ordnung zeigen. Auch dürfe die Stellung des Militärs nicht weiter geschwächt werden.

Die EU-kritische Partei, die sich selbst als populistisch bezeichnet, hatte sich im Wahlkampf für strengere Zuwanderungsbestimmungen, aber vor allem gegen die Euro-Bürgschaften für Griechenland und Portugal ausgesprochen. Als deren finanzielle Schieflage vor einigen Wochen bekannt wurde, hatte Soini gar geschworen, nicht an einer Regierung teilzunehmen, die sich für den EU-Rettungsschirm entscheide.

Doch schon vor der Wahl ruderte der redegewandte Chef der PS zurück und sagte, daß die Bürgschaften kein Hindernis für Koalitionsverhandlungen sein dürften. Zwar betonte Soini nach der Wahl, daß die alten Regierungsparteien in ihrer EU-Politik versagt hätten und forderte Nachbesserungen. Konkreter wollte er aber nicht werden. Nicht zuletzt deswegen hoffen seine politischen Gegner nun, daß Soini für den Preis der Regierungsbeteiligung nicht auf seinem kategorischen Nein zu den EU-Finanzhilfen besteht und sich während der kommenden Legislaturperiode selbst entzaubert.

Foto: „Wahre Finnen“-Chef Timo Soini feiert am Sonntagabend den grandiosen Wahlerfolg seiner Partei: Freude über Verachtfachung der Sitze

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen