© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Schlechte Zeiten für Raubprivatisierer
Ungarn: Parlament billigt die neue Verfassung / Kritik an Betonung des Nationalen
Jan Mainka

Mit Zweidrittelmehrheit haben die Abgeordneten der Regierungsparteien Fidesz und KDNP die endgültige Version des Textes der neuen Verfassung angenommen. Sie soll bis Anfang kommenden Jahres in Kraft treten.

Bis dahin haben sich vielleicht auch die Wogen geglättet, die bis zuletzt aus dem Oppositionslager anbrandeten. Die linke MSZP und die grün-liberale LMP gingen gar so weit, die Arbeit der Verfassungsfindungskommission zu boykottieren. Hauptgrund ihrer Ablehnung ist der Vorwurf, die Regierungsparteien wollten mit der Verfassung ihre Herrschaft zementieren. Die neue Verfassung komme einem „verfassungsrechtlichen Staatsstreich“ gleich.

Ähnlich wie bei der Debatte um Ungarns Mediengesetz (JF 4/11) spielten auch hier allgemeine Ressentiments eine Rolle. Wenn etwa davon die Rede ist, daß die Familie und Nation als „wichtigste Rahmen des Zusammenlebens erachtet werden“, und an einer anderen Stelle, an der es um gleiche Rechte geht, zwar Hautfarbe, Geschlecht oder Glaube genannt werden, nicht aber die sexuelle Orientierung, dann wollen Kritiker sofort wissen, daß die Regierung vorhabe, Schwule und Lesben zu diskriminieren.

Auf Kritik stößt vor allem das „Nationale Glaubensbekenntnis“, das dem Verfassungstext voransteht. Hier ist vom Stolz auf den Staatsgründer „unseren König den Heiligen Stephan“ zu lesen. Vom Stolz auf „unsere Vorfahren, die für den Erhalt, die Freiheit und die Unabhängigkeit unseres Landes gerungen haben“, und vom Stolz auf die Heilige Krone, die „Ungarns verfassungsmäßige staatliche Kontinuität verkörpert“.

Es kommt daher kaum überraschend, daß die nur anderthalb Seiten lange Präambel bei den Kritikern zum meistzitierten Teil des 28 Seiten langen Dokuments zählt. Die bemerkenswerten Artikel 37 bis 39, die sich dem Staatshaushalt, öffentlichen Geldern und dem nationalen Vermögen widmen, gehen unter.

So verlangt die Verfassung eine Schuldenbremse, die bei 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt. Auch fordert sie dazu auf, staatliche Subventionen nur solchen Organisationen zu gewähren, deren Eigentümerstruktur klar ist. Parallel dazu ist jede Organisation, die in den Genuß öffentlicher Mittel kommt, verpflichtet, über deren Verwendung Rechenschaft abzulegen. Damit der Öffentlichkeit nichts verborgen bleibt, deklariert die Verfassung alle Angaben bezüglich öffentlicher Gelder zu „Daten öffentlichen Interesses“. Selbiges gilt auch für Angaben zum nationalen Vermögen, dessen Veräußerung in Zukunft strikter geregelt ist und nur noch zu einem Verkaufspreis erfolge dürfe, der den realen Wert des Objektes widerspiegelt. Schlechte Zeiten für Raubprivatisierer.

 

Jan Mainka ist Chefredakteur und Herausgeber der Budapester Zeitung.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen