© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Energetisch
Armbänder und Ketten mit Hologrammen sollen Sportler leistungsfähig machen
Georg Alois Oblinger

Jeder Tag zehrt an unserer Energie. Wie könnte man die Anforderungen in Familie und Beruf bewältigen, würde man nicht immer wieder irgendwo energetisch auftanken. Damit ist neben der Energiezufuhr durch Mahlzeiten vor allem spirituelle Energie gemeint, die freilich nicht mehr aus dem Gebet kommt. Edelsteine, die wahlweise Energie spenden oder zur Entspannung verhelfen, haben in den Wohnungen postchristlicher Menschen schon längst Einzug gehalten. In der mobilen, allzeit fitten Welt fehlte bislang ein passendes Angebot für die Sportler. „Power Balance“ soll diese Lücke füllen. Die Armbänder wurden nach Schätzungen an 2,5 Millionen Menschen verkauft.

„Kann ich meine ganze Kraft umsetzen? Mein ganzes Können? Und meinen Willen? – Ich kann, weil ich meine innere Balance finde. Und neue Fähigkeiten. Sie stecken in mir.“ Diese Werbung klingt verlockend. Leider erinnert sie ein wenig an die Plakate von Scientology mit dem Porträt von Albert Einstein und der Behauptung: „Wir nutzen nur zehn Prozent unseres Gehirns.“

Glaubt man den Machern, arbeitet „Power Balance“ nach einer wissenschaftlichen Methode, „um den natürlichen Energiefluß des Körpers zu optimieren“. Die Brüder Troy und Josh Rodarmel ersannen 2007 in Kalifornien ein Hologramm, das der Sportler nur bei sich tragen muß, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Dieses kleine Wunder bewirkt eine Mylar genannte, hauchdünne Folie aus Polyethylenter-ephthalat (PET) von 1,5 Zentimetern Durchmesser.

Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, dieses Zauberwerk in Miniformat am Körper zu tragen. Schließlich soll es doch für alle Sportarten geeignet sein. Am meisten verbreitet ist das Silikonarmband, das ganz einfach am Handgelenk befestigt wird. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine modische Armbanduhr – nur ohne Zeiger. Selbstverständlich es wie jeder andere Modeartikel in trendigen Farben erhältlich. Liegen  die Herstellungskosten unter einem Euro, ist doch der Preis von rund vierzig Euro gemessen an der „Leistungsfähigkeit“ dieses Mode-Accessoires schon fast geschenkt.

Wer die Vorteile des körperlichen Wohlbefindens mit modisch-elegantem Aussehen verbinden möchte, wird sich wahrscheinlich für die Kette mit Anhänger entscheiden, muß dann aber auch doppelt so tief in die Tasche greifen. Für besonders agile oder preisbewußte Menschen läßt sich „Power balance“ als Aufkleber direkt auf der Haut tragen und ist im günstigen Zehnerpack erhältlich.

Natürlich fehlt es nicht an Prominenten, die das Produkt bewerben: Formel-1-Rennfahrer Rubens Barrichello, Basketballer Kobe Bryant, Fußball-Star Cristiano Ronaldo und Mountainbiker Willow Koerber schwören auf die Wirkung von „Power Balance“, das vom US-Fernsehsender CNBC kürzlich zum Sportprodukt des Jahres 2010 gekürt wurde. Es gibt sogar einen Gleichgewichtstest, mit dem bislang die Wirkung dieses Armbands bewiesen wurde. Seitdem im Internet dieser Test als simpler Trick entlarvt wurde, behauptet die Herstellerfirma: „Wir geben zu, daß es keine glaubwürdigen wissenschaftlichen Belege dafür gibt, die unsere Behauptungen stützen.“

Vor hundert Jahren soll ein Mann namens Gilbert Keith Chesterton gesagt haben: „Wenn die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht etwa an nichts, sondern an alles mögliche.“ Wenn dieser Mann doch nur uns sehen könnte. Wir glauben an Polyester.

 www.powerbalance.de

Foto: Viktoria Rebensburg: Die Skirennläuferin bewirbt wie andere Sportler die esoterische Produktpalette

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