© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Trotz drohender Inflation scheint der Euro stabil
Rettung à la Tschernobyl
Wilhelm Hankel

Alle wollen den Euro retten? Doch warum? Wer bedroht ihn? An den Weltfinanzmärkten behauptet er sich gegenüber dem US-Dollar. An der Heimatfront eskaliert die Inflationsrate nur mäßig und auch nur wegen weltweit steigender Rohstoffpreise, nicht wegen der exzessiven „Liquiditätshilfen“ der Europäischen Zentralbank (EZB) für ein paar voll in die Depression abgefahrene Randländer der Währungsunion.

Gleichwohl werden für die Rettung des Euro Summen gefordert, als hätte den alten Kontinent ein Tsunami verheert. Ein weder eingetretener noch bezifferbarer Schaden soll auf Verdacht abgewehrt werden, noch ehe jemand präzise angeben kann, was mit den Milliarden geschehen soll, die bis zum EU-Gipfel am 26. Mai  dem Europäischen Stabilisierungs-Mechanismus (ESM) zugeführt werden – zu Lasten der Gebernationen, Deutschland wie immer an der Spitze.

Das Mittelalter hatte seine Weltuntergangsphobien, die Leute sollten Ablaßzettel kaufen. Die Drohung mit dem Euro-Untergang bezweckt dasselbe im Sinne der europäischen Orthodoxie. Der zweifelnde Nordeuropäer der EU soll glauben, er kaufe sich mit der Euro-Buße frei von allen ihm sonst drohenden Übeln wie dem Rückfall in Kleinstaaterei oder globale Bedeutungslosigkeit. Nur der Euro garantiere, daß Europa global mitspiele. Deutschland profitiere als exportstärkste Volkswirtschaft am meisten vom Verzicht auf seine nationale Währung (Schweizer oder Skandinavier können darüber nur lachen). Den südlichen und sündigen Europäern wird mit der Euro-Rettung klargemacht, nach welcher Pfeife dort künftig getanzt wird.

Es geht um ein Ende des nationalen Laissez-faire, das geradewegs ins Defizit und in die hausgemachte Inflation führt und um das Hinein ins Büßerhemd eines stabilitätspolitischen Purismus, der die Löhne niedrig hält und der Wirtschaft und den Banken so gut tut. Mit Euro-Krise und -Rettung kann die EU-Nomenklatura samt ihrer Claqueure endlich „beweisen“, wie recht sie doch hat, den Europäern ihr Zuviel an Selbstverantwortung abzunehmen, mit dem diese ja nicht umgehen können, und jenes Übermaß an Demokratie, das sie dazu verführt, zu national und zu populistisch zu denken.

Die schlichte Wahrheit ist, daß nicht der Euro gerettet wird, sondern die Geldgeber jener Staaten, die sich nicht an die vereinbarten Spielregeln halten. Die Pakete werden nichts ändern. Sie garantieren ein Weiter-so und verhindern die angestrebte Rettung. Staatsbankrotte und Mitbeteiligung der Schadensverursacher (der Banken) via Umschuldung, hair-cut und Zahlungsmoratorien würden das Problem lösen. Dies beweist, daß man weder den ESM noch die Brüsseler und sonstigen „Retter“ braucht. Vor 25 Jahren übte man in Tschernobyl mit überforderten Helfern schon einmal den Ernstfall auf Verdacht – die Folgen sind bekannt.

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