© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Italien verlangt umfassende Lebensmittelkennzeichnung
Rom provoziert Brüssel
Jens Jessen

Aus welchem Land die Milch, der Käse oder das Fleisch kommt, ist seit Jahren auf jeder Verpackung im Supermarkt nachzulesen. Woher das Brot, die Gewürzgurken, die Nüsse oder der Apfel- und Orangensaft kommen, bleibt hingegen ein Rätsel, denn für die Etikettierung vorverpackter Lebensmittel gelten EU-Vorschriften. Obligatorische Angaben sind unter anderem die Verkehrsbezeichnung, die Zutaten und deren Menge, das Nettogewicht und die Mindesthaltbarkeit.

Doch statt die Lebensmittelkennzeichnung zu verbessern (2008 hatte die EU-Kommission wegen der zunehmenden Fettleibigkeit noch darauf gedrungen), setzt Brüssel lediglich auf kosmetische Korrekturen. Die ursprünglich vorgesehene Ampelkennzeichnung (JF 26/10) auf der Vorderseite der Verpackung wurde – dank intensiver Lobbyarbeit der global agierenden Lebensmittelkonzerne – voriges Jahr von Europaparlament und Ministerrat abgelehnt. Nur ein Nährwertkasten auf der Rückseite soll über den Anteil von Eiweißen, Kohlenhydraten, Ballaststoffen sowie den Kaloriengehalt informieren. Verpflichtende Auflagen, die über die laschen EU-Regeln hinausgehen, sind den Mitgliedsländern nicht gestattet.

Italien hat dies dennoch gewagt, und in seltener Einmütigkeit von rechter Regierung und linker Opposition ein eigenes Etiketten-Gesetz verabschiedet, das die Hersteller verpflichtet, zu offenbaren, woher ein Lebensmittel kommt, wer es produziert und abgepackt hat. „Bisher war fast immer unklar, woher zum Beispiel das Obst in Fruchtsäften oder der Rohstoff für lang haltbare Milch kam. Wir können jetzt genau nachverfolgen, woher die Dinge kommen. Und mit uns auch die Lebensmittelpolizei“, schwärmt Carlo Petrini, Präsident von Slow Food Italia.

Der deutsche Verbraucher darf hingegen weiter raten, aus welchem Land sein Brötchen und der Honig darauf wirklich stammen. Ob Brüssel den römischen Alleingang hinnimmt, bleibt abzuwarten.

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