© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Für dumm verkauft
Steuerpolitik: Die Empörung der Politiker über die hohen Benzinpreise ist scheinheilig / Der Fiskus kassiert über 55 Prozent / Pkw-Mautpläne in der Schublade
Klaus Peter Krause

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat sich vor Ostern „ungehalten über die hohen Spritpreise“ geäußert. Ungehalten sind die Bürger auch, mehr noch: Erbost sind sie. Allerdings gibt es zwischen dem FDP-Vize und den Bürgern einen Unterschied: Sie können für die hohen Benzinpreise nichts – aber Brüderle, diese Bundesregierung und ihre Vorgänger sehr wohl. Denn sie haben den Bürgern die hohen Benzinpreise eingebrockt. Nicht die Mineralölgesellschaften. Aber auf die schieben die Politiker gerne die Schuld, um von sich selbst als den Urhebern des zu teuren Sprits abzulenken.

Darin versucht sich auch Brüderle, wenn er Aufklärung über die hohen Preise vom Bundeskartellamt erwartet. Mit einer „Sektoruntersuchung Kraftstoffe“ soll das geschehen. Davon erhofft sich Brüderle Aufklärung und einen „besseren Einblick in die Funktionsweise der Preissetzung im Mineralölsektor“. Aber für wie dumm hält Brüderle die Bürger eigentlich? Glaubt er, es würden tatsächlich Preisabsprachen ans Licht befördert und dingfest gemacht?

Schon unter Präsident Wolfgang Kartte (1976 bis 1992) hat die Wettbewerbsbehörde versucht, die Ölkonzerne zu traktieren und sie der Preisabsprachen verdächtigt. Die groß angekündigten Untersuchungen brachten nichts. Verständlicher- und vernünftigerweise, denn die Benzinpreise waren trotz der wenigen marktbeherrschenden Anbieter dennoch Wettbewerbspreise. Ausrichten konnte das Kartellamt überhaupt nichts.

Trotzdem wollte die dem Wirtschaftsministerium unterstehende Behörde sich zu gern als Preiskommissar darstellen und versuchte, die Unternehmen durch öffentliches Tamtam unter Druck zu setzen. Doch das Kartellamt soll nur darüber wachen, daß der Wettbewerb frei von Beschränkungen bleibt, in die Preise selbst soll es nicht eingreifen. Dem Verwaltungsjuristen Kartte war das durchaus klar, ebenso die Aussichtslosigkeit solchen Vorgehens. Im Hintergrundgespräch hat er seinerzeit eingeräumt, die öffentlichen Aktionen gegen die Firmen fänden aus rein politischen und publizistischen Gründen statt.

Auch Brüderles Ungehaltenheit ist daher geheuchelt. Wenn er wirklich ungehalten ist, dann sollte er es über den hohen Steuer- und Abgabenanteil beim Benzinpreis sein, was ein aktuelles Rechenbeispiel verdeutlicht: Eine Tankfüllung mit 50 Litern Super Plus kostet bei einem vorösterlichen Literpreis von 1,659 Euro genau 82,95 Euro. Davon fließen aber 46,15 Euro an den Fiskus – also fast 56 Prozent. Pro Liter Super Plus kassiert der Staat 92,31 Cent, beim Diesel sind es derzeit „nur“ 70,81 Cent.

Im April 1991 hatte die gleiche Tankfüllung lediglich 65,15 D-Mark (33,26 Euro) gekostet – das ist eine Preissteigerung von fast 150 Prozent. Die allgemeinen Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten lediglich um 45 Prozent gestiegen. Wer seinen persönlichen Tankobolus überprüfen will, kann im Internet einfach den Steuer-Rechner von Aral (www.aral.de) anklicken.

Zudem hat der Staat – genauer die „Grünen“ in derweilen allen Parteien – den Mineralölfirmen mit dem Beimischungszwang von nunmehr zehn Prozent Bioäthanol ins Superbenzin (E10) geradezu eine Steilvorlage für höhere Benzinpreise gegeben. Außerdem will die Debatte um eine Pkw-Maut nicht verstummen. „Nur“ 100 Euro im Jahr und „nur“ auf Autobahnen, heißt es.

Doch das ist erfahrungsgemäß der Einstieg in mehr Geld und für alle Straßen, wie entsprechende Modellrechnungen des Verkehrsministeriums (etwa 365 Euro für eine „elektronische Vignette“) beweisen. Ressortchef Peter Ramsauer (CSU) sieht beim Thema Pkw-Maut zwar „keinen Diskussions- und Entscheidungsbedarf“, doch auch das ist geheuchelt. Das seinem Kabinettskollegen Norbert Röttgen (CDU) unterstehende Umweltbundesamt fordert sogar „die Einführung einer fahrleistungsbezogenen Pkw-Maut auf dem gesamten deutschen Straßennetz“.

Dementiert wurde schon vieles, später kam es dann doch. Berüchtigt dafür ist Kanzlerin Angela Merkel, besonders in Sachen Banken-, Euro- und Staaten-„Rettung“. Auch die CDU-Chefin ließ nun versichern: „Es wird keine Maut geben.“ Doch aus dem Verkehrsministerium heißt es, dies gelte nur für diese Legislaturperiode. Das dürfte auch für das Vorhaben der EU-Kommission zutreffen, Diesel entsprechend seines Energiegehaltes – also höher als Benzin – zu besteuern. Da in Deutschland kaum mit einer Absenkung der Benzinbesteuerung zu rechnen ist, würde sich Diesel drastisch verteuern. Auch hier tönte die Kanzlerin sofort, sie sei dagegen. Doch die EU-Kommission will sich von ihrem Kurs nicht abbringen lassen.

Im kommenden Monat soll die „Sektoruntersuchung Kraftstoffe“ des Kartellamtes vorliegen. Dann, so Brüderle, würden weitere Maßnahmen diskutiert. Doch welche mögen es wohl sein? Eine Senkung der Benzinsteuern? Wetten, daß das nicht geschieht?

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen