© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Blick in die Medien
Sozialer Sprengstoff im RTL2-Container
Toni Roidl

Big Brother is wieder watching you. Damit ist nicht Wolfgang Schäuble gemeint, sondern die berüchtigte Sendung im Müllfernsehen von RTL2. Ab dem 2. Mai werden für die elfte BB-Staffel fünfzehn Kandidaten in eine Baracke in Köln-Hürth gepfercht, um sie genüßlich bei der nervlichen Zerrüttung beobachten zu können. Nachdem die Jubiläumsstaffel 2010 in Krawall eskaliert ist, war der Fortbestand der Reihe ungewiß. Nun hat die Produktionsfirma Endemol den Aufwand reduziert: Die Kandidaten müssen „nur“ noch hundert Tage aufeinanderhocken, der Preis  für den Gewinner wurde auf 100.000 Euro gesenkt.

Dafür müssen Teilnehmer nicht allzu viele Qualifikationen mitbringen. Keine Berufsausbildung, verkorkstes Leben, mangelnde Allgemeinbildung? Kein Problem! Es reicht, einen Fragebogen auszufüllen, auf dem unter anderem Angaben zu „Deine Beziehung und dein Sex“ gefragt sind. Der Trick ist, genügend sozialen Sprengstoff einzubauen. In diesem Sinne freut sich RTL2 auf „interessante Bewerber“. Neben Teilnehmern kamen auch bekannte politische Gäste wie Guido Westerwelle, der 2001 als Besucher im Container auftauchte, um mit den Promi-Proleten über „Fehlentwicklungen in der Gesellschaft“ zu diskutieren. Damit könnte er jetzt eigentlich als Kandidat weitermachen.

Währendessen wird der gleichnamige „Big Brother Award“ als Negativpreis an Firmen verliehen, die sich nicht um Datenschutz scheren. Zuletzt erhielt ihn Facebook „für die gezielte Ausforschung von Menschen und ihrer persönlichen Beziehungen hinter der netten Fassade eines vorgeblichen Gratisangebots“. Während die Zuschauer den Soziopathen genüßlich in die Unterwäsche spannen und per TED den Daumen senken, werden sie im Internet selbst Opfer eines Netzwerkes, das willkürlich in ihre Privatsphäre eindringt.

Irgendwie gerecht.

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