© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/11 06. Mai 2011

Abschied vom Silber-Euro
Edelmetallmarkt: Wie es kam, daß Deutschland sein letztes Hartgeld verlor / Dollar-Silberpreis erreichte im April fast sein Allzeithoch
Bruno Bandulet

Ein Investment, das man uneingeschränkt empfehlen kann, ist eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Und doch gab es das ein paar Jahre lang und noch dazu dank Beschluß des Bundesfinanzministers, der ansonsten eher dazu neigte, den Leuten in die Tasche zu greifen. Die Rede ist von den Zehn-Euro-Münzen in Silber, die Hans Eichel (SPD) mit den Worten ankündigte: „Der Adler als Hoheitszeichen bleibt auf der Wertseite erhalten, nur die Währungsbezeichnung – in Zukunft Euro statt Mark – ändert sich.“

Die Silbermünzen wurden ab 2002 mit einem Gewicht von 18 Gramm und einem Feingehalt von 925/1000 ausgegeben und waren bei den Filialen der Bundesbank, bei vielen Sparkassen und bei manchen Banken zu bekommen. Es dauerte Jahre, bis ein breiteres Publikum die Vorzüge der Zehn-Euro-Münze entdeckte: Sie kursierte als offizielles Zahlungsmittel in Deutschland (nicht im Rest der Euro-Zone), war damit das letzte deutsche Hartgeld – und quasi mitgeliefert wurde ein Put und damit eine Absicherung gegen einen fallenden Silberpreis.

Solange der Silberwert der Münze unter dem Nennwert von zehn Euro lag, konnte man – weil sie gesetzliches Zahlungsmittel war – notfalls damit zahlen oder sie jederzeit gegen einen Zehn-Euro-Schein der Bundesbank eintauschen. Stiegen aber die Silberpreise, wurde es sinnlos, die Münze in ungedecktes Geld zu wechseln. Der Besitzer profitierte uneingeschränkt vom höheren Edelmetallpreis.

Im September 2010 begriff Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), daß er sich selbst eine Falle gestellt hatte. Damals war der Wert des in der Münze verarbeiteten Silbers (etwas mehr als eine halbe Unze) auf acht Euro vorgerückt. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Ausgabe des guten Stücks zum Verlustgeschäft für den Fiskus werden würde und die aus haushaltsrechtlichen Gründen zwingende Kostendeckung nicht mehr möglich war. Schäuble zog die Notbremse, reduzierte das Gewicht von 18 auf 16 Gramm und den Silberanteil der Legierung von 925 auf 625. Eine Münzverschlechterung also, wie sie seit dem Niedergang des Römischen Reiches üblich wurde. Immer wieder verkleinerte der Staat die Gold- und Silbermünzen und mischte billigere Metalle bei.

Die Münzen, die im Herbst 2010 herauskamen, sollten das vorerst letzte, unveränderte, solide deutsche Hartgeld sein. Seitdem kletterte der Silberpreis höher und höher, allein 2010 um 80 Prozent. Am Ostermontag wurde die historische Marke von 50 Dollar je Unze (31,10 Gramm), der Rekordpreis des Januar 1980, in New York bis auf wenige Cent fast touchiert.

Da hatte Schäuble bereits verfügt, die Zehn-Euro-Münze in der Qualität „Normalprägung“ künftig nur noch aus Kupfer und Nickel herzustellen und sie aber weiterhin zum Nennwert von zehn Euro in den Verkehr zu bringen. Lediglich in der Qualität „Spiegelglanz“ wird die Legierung noch 625 Teile Silber (und 375 Teile Kupfer) enthalten. Verkauft werden diese höherwertigen Prägungen aber über ihrem Nennwert, je nach dem aktuellen Silberpreis zuzüglich eines Aufschlages plus Mehrwertsteuer. Der Mindestpreis für diese „Zehn-Euro-Münze“ wird 15 Euro betragen. Damit ist die Prägung „Spiegelglanz“ allenfalls noch für Sammler interessant, nicht jedoch als Alternative zum maroden Euro-„Papiergeld“, das in Wahrheit aus Baumwolle fabriziert wird. Und die Münze aus Kupfer und Nickel dürfte künftig nicht einmal mehr für Sammler attraktiv sein. Damit hat Deutschland sein letztes nationales Hartgeld verloren – eine für den Finanzminister peinliche Affäre.

Seriös wäre es gewesen, den Nennwert des Silbergeldes heraufzusetzen und damit den Euro „abzuwerten“ oder aber die Prägung auszusetzen und auf tiefere, kostendeckende Silberpreise zu warten. Im Vergleich zum Gold ist Silber ein notorisch volatiles Edelmetall. Von Januar 1980 bis Februar 1991 (nach Regeländerungen an der Terminbörse Comex) sackte der Dollarpreis des Silbers um 93 Prozent ab – in den Jahren zuvor hatten die US-Gebrüder Hunt und arabische Investoren in großem Stil Silber gekauft. Auch im Zuge der Finanzkrise 2008 fiel der Silberpreis um gut 60 Prozent. In Rezessionen, Depressionen und Deflationen ist Silber seit mehr als hundert Jahren eine miserable Anlage.

Selbst intime Kenner des Silbermarktes haben bisher keine zufriedenstellende Erklärung für die Preisexplosion der letzten Monate. Seit 2009 hat sich der Dollar-Silberpreis vervierfacht. Einmal ist von einem russischen Milliardär die Rede, der Silber aufkauft, ein andermal von irgendwelchen Syndikaten oder auch von den Chinesen. Fest steht nur, daß der Silberpreis relativ leicht bewegt und manipuliert werden kann, weil der Markt sehr klein ist im Vergleich zum Goldmarkt. Das werden die Käufer schon noch herausfinden, sobald sie Kasse machen wollen. Dann ist Silber absturzgefährdet. Vieles spricht dafür, daß die Preisspitze auf das zweite Quartal fällt und daß Silber später wieder billiger zu haben ist.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des Finanzdienstes „Gold & Money Intelligence“.

Foto: Zehn-Mark-und Zehn-Euro-Münze: Schon im Mittelalter wurde der Münzgewinn durch Strecken mit Billigmetallen erhöht

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