© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/11 06. Mai 2011

Frisch gepresst

Danzig. Vier Bücher zur politischen, zur Kultur- und Literaturgeschichte der Hansestadt Danzig in nur zehn Jahren: damit hat Peter Oliver Loew selbst Altmeister wie Erich Keyser und Walther Recke überrundet. Sein jüngstes Werk versucht eine Gesamtdarstellung der Stadtgeschichte vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart. Er macht damit der ähnlich kompakten Monographie Frank Fischers (JF 27/07) Konkurrenz, dem er sich aufgrund seiner Auswertung der polnischen Danzig-Historiographie aber überlegen wähnt. Vergleichende Lektüre zeigt jedoch schnell, daß seine Darstellung von der polnischen Forschung in den frühneuzeitlichen und in den Kapiteln zum 18. und 19. Jahrhundert nur geringfügig profitiert. Lediglich für die Zeit nach 1945 kann er sich stark auf polnische Vorarbeiten stützen. In der ausführlichen Schilderung der „Freien Stadt Danzig“ (1920–1939) minimalisiert er nach Kräften die Pressionen und offenen Annexionsdrohungen Polens, das danach strebte, sich das rein deutsche „Venedig an der Ostsee“ samt Weichselniederung und Frischer Nehrung einzuverleiben. Loew gleitet schnell ins Groteske, wenn er vor diesem Hintergrund über den Senatspräsidenten Heinrich Sahm grantelt, er habe Polen nicht als „Partner“, sondern als „Feind“ wahrgenommen und somit an „hartnäckigen Vorbehalten der preußischen Provinzelite“ festgehalten. (ob)

Peter Oliver Loew: Danzig. Biographie einer Stadt. C. H. Beck Verlag, München 2011, gebunden, 320 Seiten, Abbildungen,24,95 Euro

 

Siebenbürgen. Der Schriftsteller Hans Bergel wurde 1925 in der Nähe des siebenbürgischen Kronstadt geboren, hat also die zwei so entscheidenden Zäsuren von 1945 und 1989 für das seit 800 Jahren von Deutschen geprägte Transsilvanien miterlebt. Neun Geschichten über dessen Bewohner und ihre rumänische Nachbarschaft rufen einprägsam, manchmal verschmitzt und oft melancholisch die Bilder von Krieg und Verschleppung, besonders aber der stalinistischen Wirrungen wach, die jene bei Bergels Geburt noch 300.000 zählenden Siebenbürger Sachsen zu erleiden hatten. Bergel, 1968 den Fängen der „Securitate“ entkommen, ist somit ein später Chronist einer spätestens nach dem Massenexodus von 1989 versinkenden Lebenswelt, der heute nur noch um die 12.000 Sachsen zugehören. (bä)

Hans Bergel: Die Wildgans. Geschichten aus Siebenbürgen. Verlag Langen Müller, München 2011, gebunden, 175 Seiten, 14,99 Euro

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