© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Gefahrloses Zuschnappen
Mecklenburg-Vorpommern: Der Innenminister und CDU-Politiker Lorenz Caffier hat im „Kampf gegen Rechts“ seine Berufung gefunden
Thorsten Hinz

Für die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September hat die CDU ihren Landesvorsitzenden, Innenminister Lorenz Caffier, als Spitzenkandidaten bestimmt. In Umfragen liegt Caffier meilenweit hinter dem amtierenden Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) und sogar hinter Helmut Holter, dem Spitzenmann der Linkspartei, zurück. Sellering und Holter sind zwar nur blasse Erscheinungen, doch Caffier verfügt über das Charisma eines Mopses. Eines Mopses freilich, der gern einmal zuschnappt, um seinen politischen Daseinszweck zu beweisen. Die Mutprobe erfolgt auf einem Gebiet, das absolut gefahrlos für ihn ist: im „Kampf gegen Rechts“. Hier läßt der CDU-Mann sich von keinem übertreffen.

2007 ordnete er in einem Rundschreiben an, daß zukünftig die Bewerber für Wahlämter in den Kommunen – Bürgermeister, Ortsvorsteher, Feuerwehrchef – dieselben Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Verfassungstreue erfüllen müssen wie Beamte. Das Schreiben ließ keinen Zweifel daran, daß die Anweisung exklusiv auf „die Rechtsextremisten der NPD“ zielte. Denn die hätten „in jüngster Vergangenheit versucht, durch Bürgerinitiativen, deutschtümelnde Kulturarbeit oder Sportangebote Sympathisanten zu gewinnen“.

Ende 2010 weigerte sich der Bürgermeister im mecklenburgischen Lalendorf, einer unbescholtenen, doch offenbar rechtsgerichteten Familie in seiner Gemeinde zur Geburt des siebenten Kindes die Ehrenpatenschaftsurkunde von Bundespräsident Wulff nebst 500 Euro auszuhändigen (JF 50/10). Die Presse lobte die „Zivilcourage“ des Bürgermeisters und verbreitete sich mit sadistischer Wollust über das „siebte Nazi-Kind“. Bei dessen Geschwistern führte die Kampagne teilweise zu
psychosomatischen Störungen, was den wackeren Christenmenschen Caffier nicht im geringsten beeindruckte. Erst als NPD-Anhänger vor dem Haus des Bürgermeisters protestierten und dabei eine Rasenkante übertraten, fühlte er sich auf den Plan gerufen. Er erkannte eine „Vorstufe von Terror“ und erneuerte seine Forderung nach einem Parteiverbot. Die wehrhafte Demokratie, tönte er in Bürgerkriegsrhetorik, werde mit allen Mitteln gegen die Feinde der Verfassung vorgehen.

Welcher Kategorie er wohl die Berliner Maikrawalle oder die Randale im Hamburger Schanzenviertel zuordnet? Solche naheliegenden Fragen hat er von der Regionalpresse nicht zu befürchten, im Gegenteil. Kurz vor Ostern hatte er in der Rostocker Ostseezeitung anläßlich des Verfassungsschutzberichts Gelegenheit zu verkünden: „Es gibt keinen Grund, in der Wachsamkeit nachzulassen.“ Gemeint waren die rechtsextremistischen Straftaten, die zu zwei Dritteln lediglich aus einseitig definierten „Propagan-dadelikten“ bestehen. Die Journalisten erteilten Caffier Schützenhilfe, indem sie direkt unter seinem Foto die Meldung über eine Prügelei auf einer Vereinsfeier im Kreis Güstrow plazierten. Obwohl ein Polizeisprecher erklärt hatte, es habe sich um eine Privatfehde und nicht um „eine Rechts-Links-Auseinandersetzung“ gehandelt, lautete die Überschrift: „Rechte Schläger prügeln Gäste“.

Welche Kräfte treiben Lorenz Caffier sonst noch an? Er wurde 1954 in Dresden geboren und trat 1979 in die Ost-CDU ein. Augenzwinkernd hat er sich eine „Blockflöte“ genannt, im Vertrauen darauf, daß die Mitgliedschaft in der Blockpartei pauschal als Überlebensstrategie angesehen wird, die einen vor schlimmeren politischen Zumutungen schützte. Doch Caffiers Selbstironie überzeugt nicht. Sein Wirken als Innenminister beweist, daß er den politischen Auftrag, welcher der Ost-CDU im DDR-System zugewiesen war, verinnerlicht hat. Die Partei hatte sich „zusammen mit den Liberaldemokraten im Block mit SPD-KPD gleich SED so sehr dem ‘Kampf gegen rechts’ mitverschrieben (ohne daß sie jeweils bereit wäre, für die Menschenwürde der rechts von ihr stehenden Menschen einzutreten), daß sie vor die Wahl gestellt werden konnte, entweder selbst als rechts ausgeschaltet zu werden oder im Linkstotalitarismus mitzumachen“ (Josef Schüßlburner). Dieses Mitmachen ist für Caffier bis heute ein Herzensanliegen geblieben. Ursächlich dafür dürfte seine familiäre Vorbelastung sein. Im Buch „Die Diktaturen und die Evangelische Kirche“ von Georg Wilhelm und in Gerhard Besiers dreibändigem Werk „Der SED-Staat und die Kirche“ wird ausführlich die dubiose Rolle geschildert, die sein Vater, der Pfarrer Wolfgang Caffier (1919–2004), in der DDR spielte.

Wolfgang Caffier wurde 1940 wegen seiner halbjüdischen Herkunft vom Theologiestudium exmatrikuliert. Das „Büro Grüber“, eine Einrichtung der Bekennenden Kirche, die sich um rassisch verfolgte evangelische Christen kümmerte, ermöglichte ihm die Fortsetzung der Ausbildung, so daß er 1946 ordiniert werden konnte. 1948 wurde er Mitglied der SED und hatte dort zeitweilig bis zu zwölf Ämter inne. Zugleich war er im Kulturbund tätig, der sich immer mehr zu einer Vorfeldorganisation der SED entwickelte. Die Kirchenleitung mahnte seinen Austritt an, weil der Kulturbund „ganz im Dienst des Totalitarismus stünde. Dort hätten Christen nichts zu suchen.“ Unter den Pfarrern galt Caffier als „SED-Spitzel“ und „Russenknecht“, seine Kirchgemeinde ignorierte ihn, so daß er vor leeren Reihen predigte.

1958 gründete er den staatsnahen Bund Evangelischer Pfarrer der DDR, dessen erster Vorsitzender er wurde. Die Mitgliederzahl und sein Einfluß blieben bis zur Auflösung 1971 allerdings gering. Zum Schluß der Gründungsversammlung legten die Teilnehmer einen Schwur ab, mit dem sie ihre Bereitschaft bekundeten, bei Verfolgungen wie „Christus zu leiden“. Als Verfolger galt ihnen nicht der SED-Staat, sondern die evangelische Kirchenleitung. Solche Bekenntnisse
waren nicht einfach taktisch motiviert, um der Kirche einen größeren Spielraum zu verschaffen, sondern sie drückten eine bedenkliche politisch-ideologische Nähe aus. „In großer Liebe zu unserem Volk und Vaterland“, hieß es weiter, „erklären wir uns guten Willens, zum friedlichen Aufbau des Volkslebens, der sich in der Deutschen Demokratischen Republik vollzieht, in der großen Gemeinschaft der nationalen Front (den Zusammenschluß der Blockparteien und Massenorganisationen der DDR – Th. H.) nach besten Kräften beizutragen.“ Außerdem sprach der Bund sich „für eine sozialistische Gestaltung des Wirtschaftslebens“ aus. Der Staat sah in ihm eine kircheninterne „Oppositionsgruppe“ und bedachte ihn als einzige kirchliche Organisation mit finanzieller Unterstützung.

Als die SED 1989 im Angesicht der offenen Staatskrise ihr letztes Aufgebot zusammentrommelte, wurde in internen Papieren auch Wolfgang Caffier als ein möglicher Ansprechpartner erwähnt. Am Aufbau einer „Kirche im Sozialismus“ habe er „progressiv mitgewirkt“. Sohn Lorenz schreibt das politische Erbe seines Vaters fort.

Foto: Parteifreunde Angela Merkel und Lorenz Caffier in Demmin, März 2011: „Vorstufe von Terror“

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