© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Grüße aus Madrid
Latenter Bürgerkrieg
Michael Ludwig

Der latente spanische Bürgerkrieg zwischen Kastiliern und Katalanen wird vorzugsweise auf dem Fußballfeld ausgetragen. Wenn die Teams aufeinandertreffen, dann fliegen die Fetzen. Dann geht es nicht nur darum, wer die Meisterschaft in der Primera Division für sich entscheiden kann, den Königspokal gewinnt oder in der Champions League weiterkommt, dann steht vor allem die Ehre auf dem Spiel, und diesbezüglich verstehen weder Kastilier, also die Anhänger von Real Madrid, noch die von Barca aus der katalanischen Metropole Barcelona Spaß. Während manch fanatische Unabhängigkeitskämpfer der baskischen Eta Bomben werfen und den einheimischen Unternehmern eine Revolutionssteuer abpressen, setzen die Katalanen darauf, Madrid und alles, was die Hauptstadt im Landesinnern verkörpert, mit Nadelstichen bis zur Weißglut zu reizen – und nirgends gelingt ihnen das so vollkommen wie bei einem Sieg auf dem grünen Rasen.

Jede Begegnung zwischen den beiden Mannschaften, clasico genannt, mobilisiert die Fans in einem ungeahnten Ausmaß. Als sich Real und Barca in den letzten Wochen viermal gegenüberstanden, beherrschte der Fußball die öffentliche Meinung – die horrende Arbeitslosigkeit, die zwischenzeitlich bei durchschnittlich 21,3 Prozent liegt, ist für die Zeitspanne der Spiele in den Hintergrund getreten. Auch die Politik mußte sich anpassen; große Parteiveranstaltungen, die für die bevorstehenden Kommunal- und Regionalwahlen am 22. Mai werben sollten, wurden kurzerhand verschoben.

Als in der Champions League der deutsche Schiedsrichter Wolfgang Stark den Realspieler Pepe wegen eines groben Fouls vom Platz stellte, schlug die Stunde der Findigen. Hat Pepe den Mann von Barca überhaupt berührt? Im Netz kursierten unterschiedliche Video-Aufzeichnungen, und es darf vermutet werden, daß beide Seiten geschickte Fälschungen auf die Reise schickten.

Aber auch jenseits des runden Leders schenken sich die beiden innenpolitischen Gegner nichts. Den letzten Schlag führten die Katalanen. Eine im Parlament von Barcelona vertretene kleinere Partei stellte den Gesetzesantrag, die spanische Nationalfahne zu verbieten. Die Chancen, daß diese neuerliche Brüskierung Madrids tatsächlich Wirklichkeit wird, stehen allerdings schlecht, denn so weit wollen die übrigen Parteien Kataloniens nun doch nicht gehen, auch wenn sie sich das im tiefsten Herzen wünschen.

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