© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Frisch gepresst

Hannah Arendt. Ihre 1929 veröffentlichte, bei Karl Jaspers angefertigte Dissertation über den „Liebesbegriff“ beim Kirchenvater Augustinus war zwar kein Plagiat, wurde aber von ihrem Doktorvater höflich nur als „gewaltsame“ Deutung akzeptiert und von anderen Kritikern regelrecht in die Tonne getreten. Nach dieser verunglückten Heidelberger Promotion verlagerte Hannah Arendt (1906–1975) ihr Tun auf die jüdische Geistes- und schließlich auf die politische Ideengeschichte und Publizistik, einem Terrain, auf dem sie es schließlich mit Arbeiten über „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (deutsch 1955) und „Eichmann in Jerusalem“ (1964) zu Weltruhm brachte. Die Hauptschwäche der Doktorandin, ihre Unfähigkeit, den Horizont der Zeitungslektüre zu überschreiten und die Weltgeschichte nicht nach den Maßstäben des ihr im Elternhaus vermittelten kosmopolitischen Königsberger Liberalismus zu beurteilen, ist sie aber zeitlebens nicht losgeworden. Hannah Arendt ist also primär eine Denkerin, die sich aus „Vorurteilen“ bedient. Die Heerschar ihrer vornehmlich weiblichen Adoranten ignoriert dieses Manko beharrlich. Wie man jetzt wieder bei Marie Luise Knott nachlesen kann, die Arendt allen Ernstes als Ratgeberin preist, von der zu erwarten sei, daß sie „vorgefaßte Meinungen und kollektive Lebenslügen austreibt“. (wm)

Marie Luise Knott: Verlernen. Denkwege bei Hannah Arendt. Matthes&Seitz Verlag, Berlin 2011, gebunden, 151 Seiten, 19,90 Euro

 

Südtirol. Der Schulleiter Franz Innerhofer aus Marling bei Meran war das einzige Todesopfer, das neben etwa fünfzig Schwerverletzten während des Bozner Blutsonntags zu beklagen war. Am 24 April 1921 hatten italienische Faschisten den Festumzug während der Bozner Messe mit Pistolen und Handgranaten angegriffen. Auch Passanten wurden von den extra angereisten Provokateuren mit großen Knüppeln angegriffen. Zum sechzigsten Jahrestag dieser faschistischen Ausschreitungen, die ein jahrzehntelanges Martyrium für die seit 1919 unter italienische Herrschaft geratenen Südtiroler einleiten sollte, entstand mit vielen Zeitzeugenberichten eine Dokumentation, die nun zum 90. Jahrestag – einer derzeit grassierenden Mussolini-Nostalgie in Italien zum Trotz – neu aufgelegt wurde. (bä)

24. April 1921. Der Bozner Blutsonntag. Edition Südtiroler Zeitgeschichte, Zirl 2011, broschiert, 84 Seiten, 10 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

12. Mai 1961: Der Vorsitzende der FDP, Erich Mende, erklärt in Hamburg, daß eine Koalition in einer SPD-Regierung undenkbar sei, weil deren Regierungsprogramm zwangsläufig den Inflations- und Gefälligkeitsstaat sozialistischer Prägung bringen müsse.

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