© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Geschichte im Bräunungsstudio
NS-Tätersuche im Wissenschaftsmilieu
Daniel Weiss

In den fest geschlossenen Reihen bewältigungspolitisch engagierter Historiker nehmen Michael Fahlbusch und Ingo Haar eine Sonderstellung ein, weil sie immer mehr Kritiker gegen sich aufgebracht haben, die weltanschaulich eigentlich mit ihnen harmonieren. Ulrike Jureit, tätig für Reemtsmas Hamburger Institut für Sozialforschung, wies kürzlich darauf hin, in welchem Ausmaß die primitive Hauptthese des Duos von der „völkischen“, „rassistischen“ und somit nationalsozialistischen Konditionierung der Geistes- und Sozialwissenschaften lange vor 1933 inzwischen auch bei denen auf Widerspruch stößt, die gewohnt sind, deutsche Professoren als Elite des „Tätervolkes“ zu stigmatisieren (JF 41/10).

Wie der jüngste von Fahlbusch und Haar edierte Sammelband über „Völkische Wissenschaften und Politikberatung“ zeigt, macht derart massive Kritik auf die beiden autistischen Agitatoren jedoch nicht den leisesten Eindruck. Stattdessen verschweigen sie in ihrer Einleitung lieber eine Unzahl vernichtender Rezensionen früherer Arbeiten und verhöhnen weniger gravierende Einforderungen von mehr „Differenzierung“ der „radikalen Rechten“ (Stefan Breuer). Und bei seltenem Beifall etwa zu Haars wirren Anklagen gegen Hans Rothfels glauben sie gar zu wittern, „die Debatte“ wende sich zu ihren Gunsten.

Verwunderlich, daß solche Verweigerung des rationalen Diskurses, diese, bei großer Neigung zu „abenteuerlichen Gedankensprüngen“ (Christoph Nonn, FAZ vom 7. März 2011), ostentative Unfähigkeit, wissenschaftlich zu argumentieren, ausgerechnet von der Deutschen Forschungsgemeinschaft auch noch mit einem Druckkostenzuschuß belohnt wurde. Von dem wissenschaftshistorisch bislang unbekannten „Rechtsradikalismus“-Experten Wolfgang Benz bevorwortet, versammeln die Herausgeber zu ihrer „Schwarzweißmalerei“ (Nonn) abermals Gesinnungsfreunde wie Matthias Berg, Samuel Salzborn und Dirk Rupnow, die bereits für ihre Neuauflage des DDR-Braunbuchs, dem „Handbuch der völkischen Wissenschaften“ (2008), bei der postumen „Nazifizierung“ der deutschen Akademikerschaft gern zu Diensten waren.

Michael Fahlbusch, Ingo Haar (Hrsg.): Völkische Wissenschaften und Politikberatung im 20. Jahrhundert. Expertise und „Neuordnung“ Europas. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2010, gebunden, 420 Seiten, 38 Euro

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