© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Haltungsnote
Entwurzelt
Tilmann Wiesner

Der Stammbaum ist gefällt, die Ahnenreihe durchbrochen. Pünktlich zum Tag der Monarchie in Ungarn legte der rumänische Ex-König Michael I. die Axt an die Wurzeln seiner deutschen Herkunft. Beginnend mit dem 10. Mai 2011 werde das rumänische Königshaus, so erklärte der 89jährige, die dynastischen Verbindungen zum Haus Hohenzollern abbrechen und nur noch als „Königshaus Rumänien“ auftreten. Das Kommuniqué verfaßte der Chef des Hauses, der als Fünfjähriger erstmals den rumänischen Thron bestieg, „eingedenk des Wunsches unseres geliebten Großvaters, König Ferdinand I. von Rumänien, der Dynastie und dem Königshaus Rumäniens einen nationalen und unabhängigen Charakter zu verleihen“.

Wie die deutsch-rumänische Internetplattform www.punkto.ro berichtete, glaubte sich Ferdinand – Sohn des Fürsten Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen – bereits 1921 von seinem abgedankten deutschen Stammhaus distanzieren zu müssen, zumal  sich das Deutsche Kaiserreich und das Königreich Rumänien im Ersten Weltkrieg an der Front gegenüberstanden.

Was Michael I. bewogen haben könnte, den Wunsch seines Großvaters mit 90jähriger Verzögerung zu verwirklichen, bleibt rätselhaft. Eine Wiederbelebung der Monarchie hat Umfragen zufolge keine Chance. Das Bekenntnis zur rumänischen Nation könnte auch den politischen Ambitionen seiner Tochter Margareta oder ihres Ehemannes Radu Duda geschuldet sein, mutmaßte die Süddeutsche Zeitung. Von einem greisen König hätte man mehr Lebensklugheit erwartet. Schon 1944 hatte er seine Herrschaft durch den Bruch mit den Diktatoren Antonescu und Hitler zu verlängern versucht. Vergeblich: 1947 schickten ihn die Kommunisten für 45 Jahre ins Schweizer Exil.

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