© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der politisch-mediale Komplex
Paul Rosen

Das war eine Rede, die es in sich hatte: Der Münchner Verleger Dirk Ippen (Münchner Merkur, tz) schien am 18. Mai im Kaisersaal des Frankfurter Römer bei der Verleihung des Wächterpreises der Tagespresse Tacheles zu reden: „Was aber nützt uns die ganze schöne Pressevielfalt, wenn letzten Endes alle von Flensburg bis Garmisch über dasselbe schreiben und auch dieselben Themen auslassen?“ fragte der Verleger, der die Vorhersage wagte, daß wir auf eine „Ökodiktatur“ zusteuern. Er beklagte die einheitliche Richtung der Berichterstattung: „Wer gegen den Zeitgeist anschwimmt, findet kein Gehör“, und stellte fest: „Zum Nonkonformismus gehört Mut.“ Da hat Ippen aber toll gebrüllt. Medien und Politik sind inzwischen eng verbunden, so daß man von einem politisch-medialen Komplex reden kann, was auch daran deutlich wird, daß der öffentlich-rechtliche Teil der Medien mit der GEZ ein eigenes Steuererhebungsrecht hat – wie in früheren Jahrhunderten die Vögte, die des Königs Ländereien ruhig hielten.

Lebten in Bonn Politiker und Journalisten strikt getrennt und gab es auch kaum private Verbindungen, so heiratet man heute regelmäßig untereinander oder haust in schwuler Lebensgemeinschaft zusammen. Der Wechsel von einer Seite des Schreibtisches zur anderen, früher verpönt und mit dem Ausschluß aus der Journalisten-Gemeinde bedacht, ist heute problemlos möglich. Merkels Regierungssprecher Ulrich Wilhelm konnte Intendant beim Bayerischen Rundfunk werden, der jetzige Regierungssprecher Steffen Seibert kommt vom ZDF. In den Medien ist auch alles egal geworden: Man kann heute problemlos von der taz zum Springer-Verlag wechseln oder sogar zur FAZ.

Längst ist tiefgehende Berichterstattung der Unterhaltung, dem Nachrichten-Entertainment, gewichen. Das Fernsehen braucht immer neue Bilder, das Radio Originaltöne und die Zeitungen Eindrücke vor Ort. Wer hier gegen den Strom schwimmt, wird sehen, wo er bleibt: Er wird nicht mehr zu Hintergrundgesprächen eingeladen. Den freien Platz im Flugzeug der Kanzlerin oder des Ministers übernehmen gern andere, die Verständnis haben, daß aus der Atomkraft ausgestiegen werden muß, daß Griechenland und andere Schuldensünder Milliarden brauchen, daß keine Steuern gesenkt, sondern die Sozialbeiträge erhöht werden müssen, um soziale Gerechtigkeit herzustellen. Und daß Windräder gebaut werden müssen und der Euro eine gute Sache ist. Und, und, und ...

Die Anpassung an den Zeitgeist hat dazu geführt, daß die Zeitungen austauschbar geworden sind, daß Nachrichtensendungen immer mehr an die „Aktuelle Kamera“ der DDR erinnern, wo an Stelle der Analyse die Propaganda getreten war.

Ein Nachtrag zum vermeintlich so mutigen Verleger Ippen darf nicht fehlen: Sein Berliner Büro hat er geschlossen, seine Zeitungen fallen im Strom einheitlicher und einfältiger Berichterstattung schon lange nicht mehr auf. Ippen ist Vertreter genau des Konformismus, vor dem er warnt.

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