© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Eine andere Welt – brutal und berüchtigt
Reportage aus Malmös Problemviertel Rosengård: Einwanderung und zunehmende Islamisierung führen in der Stadt zu immer größeren Problemen
Hinrich Rohbohm

Wie große Bauklötze reihen sich die Wohnblöcke an die Amiralsgatan, eine breite Schnellstraße, die sich von Malmös Zentrum aus durch den Stadtteil Rosengård pflügt. Einheimische bezeichnen die Betonburgen als „Chinesische Mauer“. Eine Mauer, hinter der Malmös Probleme liegen. Mord, Gewalt, Raub und Diebstahl. Rosengård ist dafür berüchtigt. „Was wollen Sie da, das ist eine schäbige Gegend, kriminell und gefährlich“, warnen Passanten in der Innenstadt der südschwedischen Ostseemetropole.

Es gibt schäbigere Ecken. Kein Graffiti an den Häuserwänden, die Rasenflächen vor den Wohnungen sind gepflegt und kurz geschnitten, kein Müll im Gras. Die Apartments sind nicht modern, aber in ordentlichem Zustand. Auf den ersten Blick macht Rosengård nicht den Eindruck, als befinde sich hier das Problemviertel Malmös. Ein schwedischer Stadtteil, der dadurch auffällt, daß in ihm keine Schweden wohnen. Hier leben Zuwanderer aus 170 verschiedenen Ländern, die meisten davon Muslime. Die Frauen tragen Kopftuch oder Burka, blonde Nordeuropäer sind so auffällig wie die lila Milka-Kuh.

22.000 Einwohner leben in dem Stadtteil, inoffiziell sollen es doppelt so viele sein. 86 Prozent haben hier einen Migrationshintergrund. Die Arbeitslosenquote liegt bei 62 Prozent. Ein Gemisch, aus dem politischer Sprengstoff entsteht. „Wenn wir nachts das Fenster offen haben, hören wir sehr oft Schüsse“, erzählt Simone. Die 22 Jahre alte Dänin studiert in Kopenhagen, wohnt jedoch im gerade einmal zwanzig Bahnminuten entfernten Malmö. Rosengård sei nicht schön, aber ihre Miete hier günstig. Sie wohnt auf der anderen Seite der breiten Schnellstraße, diesseits der „Chinesischen Mauer“. Jenseits davon herrscht ein anderes Leben. Eine andere Welt, brutal wie berüchtigt. „Ramelsväge“, sagt Simone und zeigt mit verächtlicher Grimasse auf die Hochhäuser. „Da konzentriert sich die Gewalt“, bestätigt eine weitere Anwohnerin.

Eine Brücke führt über die Straße. Der Weg führt vorbei an einem Einkaufszentrum. Es ist friedlich. Kebab- und Falafel-Buden, Supermärkte, Telefonläden. Afrikaner mit Kopfbedeckung, die miteinander diskutieren. Orientalisches Sprachengewirr, man ist beschäftigt. Lila Kühe würde man jetzt gar nicht wahrnehmen. Beim weiteren Gang durch das Wohngebiet ändert sich das. Mißtrauische Blicke werden nun zum ständigen Wegbegleiter. „Hallo Polizei“, ruft plötzlich jemand von einem Innenhof-Balkon herunter.

„Wenn du oder ich da hinkommen, kann das für die nur Polizei sein“, erklärt Staffan diese merkwürdige Begebenheit. Staffan ist Schwede, lebt seit über 20 Jahren in Malmö. Der 43jährige steht mit einem Wasserschlauch am Bootssteg der neuen Malmöer Hafencity und bringt seine kleine Yacht für den bevorstehenden Sommer auf Hochglanz. Auch er lebt in einer anderen Welt. Der Welt der wachsenden, aufstrebenden Küstenstadt. Hier, zwischen schreienden Möwen, in der Sonne glänzenden Motorbooten und neugebauten Apartments mit gemütlichen Balkonen und Blick auf das Wasser zeigt sich Multikulti von seiner positiven Seite. Noch.

 „Es ist abzusehen, daß sich das ändert“, meint Staffan mit besorgtem Blick. Um sich selbst mache er sich weniger Sorgen. Aber da ist seine elf Jahre alte Tochter. „Wenn nur ein wenig von dem stimmt, was unter den Mitschülern meiner Tochter erzählt wird, beginne ich mich zu fragen: Was geht hier vor?“ Jahrelang habe er die Sozialdemokraten gewählt, damit sei jetzt Schluß. „Schwedendemokraten“, teilt er kurz und trocken seine neue Präferenz mit. Staffan mag sie nicht. „Aber sonst traut sich keiner was“, kritisiert er die etablierten Parteien seines Landes. Zunehmend mehr Schweden denken so. Bei den letzten Reichstagswahlen errang die Rechtspartei 5,7 Prozent der Stimmen, zog erstmalig ins schwedische Parlament ein. In Malmö lagen die Ergebnisse sogar im zweistelligen Bereich.

Nur wenige Kilometer von der neuen Hafencity entfernt fährt eine Polizeistreife durch Ramelsväge. Zum wiederholten Mal. Die schwedischen Ordnungshüter haben ihre Präsenz in Rosengård erst jüngst weiter verstärkt. Bei Erscheinen der Streife ertönt das kurze zweimalige Hupen eines jungen Südländers, der lässig in einem rotfarbenen Ford sitzt und mit ausgestreckten Beinen seine Füße auf dem Armaturenbrett abgelegt hat. Sein Hupsignal bringt Bewegung in eine Gruppe arabischer Jugendlicher. Nicht eindeutig auszumachende Gegenstände verschwinden in den Taschen, einige verlassen die Gruppe, verdrücken sich.

 Als die Polizeistreife vorbeigefahren ist, kommen sie zurück. Beim Gang vorbei an der Gruppe verstummen die jungen Männer. Bohrende Blicke, flüsternde Stimmen. „Hallo Polizei“, ruft wieder einer hinterher. Gelächter. Die Beamten sind nicht zu beneiden. Immer wieder kommt es in Rosengård mit zeitweiliger Unterstützung von linksautonomen Kräften zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ausländischen Jugendlichen und der Polizei. Im Dezember 2008 waren die Krawalle besonders heftig, als eine besetzt gehaltene Kellermoschee geräumt werden sollte. Rohrbombenanschläge auf Polizei und Feuerwehr sowie angezündete Autos waren die Folge. Spezialeinheiten mußten eingreifen, Rettungskräfte konnten nicht helfen, weil sie mit Steinwürfen attackiert wurden.

Besonders zum Monatsende, wenn sich das Geld aus den in Schweden als äußerst üppig geltenden sozialen Hilfsleistungen dem Ende zuneigt, sind gewalttätige Ausschreitungen in Rosengård nichts Ungewöhnliches. In der Nacht vom 28. auf den 29. April dieses Jahres zündete eine Gruppe vermummter Jugendlicher Mülleimer an, wütete an Schulen, Autos und Kioskläden, um gegen die Festnahme eines ihrer Gesinnungsgenossen zu protestieren.

Vor allem die rund 700 noch in der Stadt verbliebenen Juden leiden unter der Zunahme muslimischer Einwanderer. Nicht wenige haben inzwischen die Koffer gepackt und die Stadt verlassen. Der Grund ist die zunehmende Islamisierung der Stadt.

Über 60.000 Muslime leben mittlerweile in Malmö, gut ein Drittel der 300.000 Einwohner hat einen Migrationshintergrund, Tendenz stark steigend. Von Haßpredigern in ihren Kellermoscheen aufgestachelte Kinder gehen auf jüdische Familien los, schreien sie an, daß alle Juden getötet werden müßten. Brandanschläge auf Friedhöfe, Grabschändungen oder Drohungen gegen Ladeninhaber sind inzwischen keine Seltenheit. Vor einem jüdischen Gemeindehaus waren Büchsen mit der Aufschrift „Zyklon B“ aufgestellt, in der Nachbarstadt Helsingborg ist versucht worden, eine Synagoge in Brand zu setzen. Bei einem Fußballspiel zwischen dem jüdischen FC Hakoah und dem FC Kosovo waren Kosovo-Fans auf das Spielfeld gestürmt, machten Jagd auf die Hakoah-Kicker, deren Klub bei den Verantwortlichen vergeblich darum gebeten hatte, nicht in einer Gruppe mit dem FC Palästina spielen zu müssen.

Dabei ist längst nicht jeder der eingewanderten Muslime derart fanatisch-religiös. Viele sagen, daß es in ihrer Heimat liberaler zuging. „Wir hören und sehen die Gewalt, aber wir halten uns zurück, wir wollen keinen Ärger“, übersetzt eine Bosnierin für ihre Mutter. Beide sind mit einem Schleier verhüllt. Sie wollen das nicht. Aber sie müssen es. Männliche Jugendliche gehen manchmal gegen Frauen vor, die sich nicht schariakonform verhalten. Eine Minderheit islamisch-extremistischer Kräfte habe in Rosengård das Sagen. In Kellermoscheen werde zu Gewalt und Isolation von der schwedischen Bevölkerung aufgerufen. Muslimische Kinder kommen nicht zur Schule. Entweder weil sie von ihren Eltern auf Islamschulen angemeldet oder zwangsverheiratet wurden.

Manch männlicher Islamist prahlt in der Schule mit seinen Straftaten. Und wird von jungen schwedischen Mädchen aus wohlbehütetem Hause bewundert und angehimmelt. Staffan kennt das schon, seine Tochter hält ihn auf dem laufenden. Er hat den Wasserschlauch beiseite gelegt, sein Boot, jetzt sauber, liegt ruhig und sicher vertäut im Gewässer. „Vielleicht müssen wir bald einen anderen Hafen anlaufen“, beschleicht ihn eine dunkle Vorahnung.

 

Rosengård – Ein Stadtteil kippt

Der Malmöer Stadtteil Rosengård ist eine Großwohnsiedlung, die in den sechziger und siebziger Jahren im Rahmen eines staatlich geförderten Bauprogramms der schwedischen Regierung entstanden ist. Der Stadtteil grenzt unmittelbar an das Zentrum Malmös und weist den höchsten Ausländeranteil des Landes auf. Weil in anderen Bezirken Wohnraum schwer zu bekommen ist, siedeln sich besonders viele Einwanderer in Rosengård an. Ein Großteil davon kommt aus dem Kosovo, Irak, Libanon und Bosnien-Herzegowina. Laut einer von der schwedischen Regierung in Auftrag gegebenen Studie über mangelnde Integration und Gefahren für die Demokratie berichten 29 von 30 Lehrern, Sozialarbeitern und Polizisten von einer zunehmenden Radikalisierung in Rosengård. In einem Drittel der Kellermoscheen würden gewaltverherrlichende Botschaften verbreitet, der Besuch höherer Schulen habe sich innerhalb von fünf Jahren halbiert.

Foto: Einkaufszentrum und Wohnviertel in Rosengård: Miß-trauische Blicke. „Hallo Polizei“-Rufe vom Innenhofbalkon

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