© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Blick in die Medien
Medienkritik ein Luxusartikel?
Gernot Facius

Was unterscheidet eine Zeitung von einer Wurstfabrik? Letztere braucht kein Ethos, sieht man von der Selbstverständlichkeit ab, gut verdauliche Waren auszuliefern. Von Zeitungen wird mehr verlangt. Sie stehen als Lebensmittel der Demokratie unter dem absoluten Schutz des Grundgesetzes, zu Recht genießen sie wie ihr elektronisches Pendant Privilegien. Kein staatlicher Aufpasser darf der „vierten Gewalt“ reinreden. Kontrolle der Medien durch Medien – das wäre adäquat.

Idealerweise müßten professionelle Beobachter aufschreiben, was alles in der Berichterstattung falsch läuft: im eigenen Blatt, bei der Konkurrenz. Gab es da nicht den Fall Sebnitz, wurde nicht Martin Hohmann als Hetzer verleumdet, werden nicht Nachrichten so zurechtgeschliffen, daß sie ins politisch korrekte Weltbild passen? Reflexion der Zusammenhänge, gerade angesichts der wachsenden Konzentration, sollte ein Thema sein. Zumal angesichts der Tyrannei der Aktualität, bei der Spekulationen immer mehr die hart recherchierte Nachricht ersetzen.

Früher war nicht alles besser, aber immerhin gab es Medienseiten, die journalistische Fehlleistungen beim Namen nannten. Unter dem Druck der Krise haben selbst die Großen der Branche ihre Medienseiten geopfert, halbiert oder zu Feuilleton-Anhängseln mit Konzentration auf pure TV-Programmbegleitung eingedampft. Selbst der Spiegel, das einstige „Sturmgeschütz der Demokratie“, schießt kaum noch scharf. Die sogenannten Leitmedien, die Öffentlich-Rechtlichen eingeschlossen, tun sich nicht mehr gegenseitig weh. Medienkritik ist zu einem publizistischen Luxusartikel geworden. Und wie es scheint, ist das den Verlagsmanagern, die ihre Objekte auf „Effizienz“ trimmen, nur recht. In Akademiesälen läßt sich wunderbar über Ethik, Werte und Medienerziehung plappern, in der Praxis weicht man der (Selbst-)Kritik an den eigenen Hervorbringungen aus. Der Glaubwürdigkeit dient das nicht. Deshalb: Mehr Mut, Kollegen!

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