© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Ein Guru auf dem Haus
Rainer Langhans besucht die Burschenschaft Normannia-Nibelungen / Plaudereien über Eigentum, Kommunikation und Liebe
Dirk Taphorn

Herrschaftsfreier Dialog am 18. Mai bei der Bielefelder Burschenschaft Normannia-Nibelungen. Alt-Kommunarde Rainer Langhans gibt sich die Ehre. Er kommt aber nicht, um Reden zu schwingen, sondern um zu kommunizieren: über Liebe, Privatheit, „Besitzscheiß“ und das Internet. Passend dazu gibt es selbstgemachte vegane Suppe bei den Burschen.

Schon die ersten Zuhörerfragen zum TV-Auftritt im „Dschungelcamp“ treffen ins Schwarze. Die Abschaffung jeglicher Privatheit ist ein Lieblingsthema des Alt-68ers. Zur Kommune-Zeit habe man das Private öffentlich machen wollen, so Langhans. Denn wo es Privatheit gibt, gebe es auch Grenzen. Wo es Grenzen gibt, gebe es Krieg. Das Dschungelcamp sei sogar ein Erziehungsmittel, eine „Therapie“ für die Teilnehmer auf dem Weg zur Selbsterkenntnis gewesen. Nach Langhans’ Meinung ist das schonungslose Bloßstellen ihres privaten Versagens der erste Schritt zur Besserung.

Das Publikum raunt: „Das kann der Althippie doch nicht ernst meinen.“ Sein Funke zündet. Das Niederreißen jeder Grenze von Privatheit und Intimität im digitalen Zeitalter bricht ein Tabu. Datenschutz adé. Die weltweite digitale Vernetzung, Google, Wikileaks, Facebook, Internetdownloads, das Dschungelcamp – für Rainer Langhans genau das, was die Kommune immer wollte.

Alles Wissen für alle Menschen, freie Kommunikation über den ganzen Globus. Ein Familienvater zeigt sich fassungslos. Eltern bekommen heute gar nicht mehr mit, wie sich ihre Kinder in sozialen Netzwerken entblößen. Für Langhans kein Problem. „Im Endeffekt sind alle für Transparenz“, meint der Kommunarde. Daß die Jugend heute alle ihre Daten ins Netz stelle, das Private öffentlich werde, es keine Geheimnisse mehr zu schützen gebe, das sei doch der Fortschritt. Die Angst der Alten davor gleiche der Angst der Alten vor der Kommune. Die Jugend probiere neues, die Alten sehen ihre Besitztümer gefährdet, ist Langhaus überzeugt.

Es ist nicht ganz klar, ob zu diesem Zeitpunkt jeder der über 50 Zuhörer merkt, daß zwei unversöhnliche Welten aufeinandertreffen. Es ist der Konflikt zwischen Geist und Materie.

„Unser Intellekt kann heute gar nicht mehr abgelöst von Materie, Besitz und Eigentum denken“, doziert der Guru der freien Liebe. Glücklicher würden wir dadurch nicht. Diese Fessel löse das Internet. „Ich habe 1.000 Freunde bei Facebook …“, setzt Langhans an. Der Saal stöhnt auf.

Langhans: „Facebook ist der richtige Schritt zur Vergeistigung unseres materialistischen Weltbildes.“ Es gibt keinen Beifall dafür. „Sind Sie für die Auflösung des Privateigentums?“ fragt ein junger Student.

Der Kommunarde sagt nicht „Ja“ oder „Nein“ und wird doch konkret. Es sei „ein Schock“ gewesen, am ersten Morgen in der Kommune wach zu werden „und da trägt einer mein Hemd:

‘Wieso Dein Hemd? Das ist nicht Dein Hemd, sondern das ist ein Hemd. Du findest hier auch ein anderes’, wurde gesagt.“

An der Weltsicht von Langhans hat sich bis heute nur wenig geändert: „Wir wollen doch alle nur geliebt werden. Für das Reich der Liebe sollten wir alle gemeinsam aus der Fülle schöpfen, die wir haben und alles teilen.“ Deshalb werde heute so über das geistige Eigentum gejammert. Langhans freut sich, daß das Internet Urheberschafts- und Eigentumsrechte beseitigt. Geistigkeit statt Kriegsführung. „Weg vom Besitzscheiß“ soll das „Weg vom alten Scheiß, vom Kriegsscheiß“, den Leichenhaufen der Vätergeneration herbeiführen. Eine Welt, in der der Mensch dem Menschen kein Wolf ist.

Gegen Ende des Abends will ein Alter Herr der Normannia-Nibelungen wissen, warum Langhans aus der Bundeswehr ausgeschieden ist: „Ich wurde unehrenhaft ausgestoßen, wohl wegen des Kommune-Lebens“, antwortet Langhans, der als ehemaliger Zeitsoldat heute von 207 Euro „Offiziersrente“ und den Honoraren seiner medialen Auftritte lebt. Er selbst habe es nur aus der Zeitung gewußt, nie von „Y-Reisen“ selbst die Gründe erfahren. „Aha, da mangelte es an Kommunikation“, ruft der Alte Herr zurück. Herzliches Lachen durchdringt den Saal.

Bei einer 20jährigen Abiturientin hinterläßt der nicht aus der Ruhe zu bringende Lockenkopf nach zwei Stunden Eindruck: „Er ist so gutmütig, sympathisch und alles, was er sagt, meint er auch. Das hat man richtig gespürt.“ Da ist sie wieder: Langhans’ Wirkung auf die Frauenwelt. Auch wenn das Reich der Liebe noch nicht angebrochen scheint, die Kommunikation feierte an diesem Abend ihren Triumph. www.normannia-nibelungen.de

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