© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

Der lebensgefährliche Ehec-Erreger breitet sich weiter aus
Ein Warnschuß
Harald Ströhlein

Was haben Dominique Strauss-Kahn und norddeutsche Gemüsebauern gemeinsam? Richtig: Eine Vorverurteilung fand bereits statt, bevor jemand aufgrund stichhaltiger Beweise ein Urteil zu fällen in der Lage war. Entsprechend echauffierte sich Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, als pauschal vor vermeintlich verseuchten Tomaten, Gurken und Salaten aus Norddeutschland gewarnt wurde.

Auch wenn die Erregerquelle in südspanischen oder niederländischen Betrieben vermutet wird, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen: Bauern bleiben auf ihrer Ware sitzen, Gemüse muß tonnenweise entsorgt werden. Gleichwohl scheint klar, daß der Ehec-Erreger eine mitunter tödlich verlaufende Durchfallerkrankung hervorrufen kann, die mit der landwirtschaftlichen Produktion eng zusammenhängt. Das Bakterium ist im Darm von Wiederkäuern zu finden, es wird bei unsachgemäßer Handhabung via Gülledüngung auf Felder und Flure verteilt. Bei mangelnder Hygiene gelangt es in die Nahrungsmittelkette. So können die Keime auch Rohmilch, Salami, Mettwurst oder Rindergehacktes besiedeln. 2008 wurde beim Ehec-Ausbruch in Niedersachsen Rohmilch als Überträger identifiziert.

Diesmal hat das Ehec-Krankheitsgeschehen aber eine andere Qualität, und es offenbart folgendes: Die nach Aussage des Robert-Koch-Institutes „ungewöhnliche Häufung schwerer Verläufe in kurzem Zeitraum“ zeugt einmal mehr von dem Gefahrenpotential, welches von der anpassungsfähigen Genetik pathogener Mikroorganismen wie etwa Bakterien oder Viren ausgeht. Ferner trat im Rahmen des Erregernachweises erneut die Problematik der zunehmenden Resistenzbildung gegenüber den gängigen Antibiotika in aller Deutlichkeit zutage.

Und nicht zuletzt demonstriert die Unbeholfenheit bei der Suche nach der tatsächlichen Infektionsquelle, welche Risiken der grenzen- wie zügellose Warenverkehr mit sich bringt.

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