© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

Kriegstrauma verarbeitet
Schau: „Expressionismus im Rhein-Main-Gebiet“
Claus-M. Wolfschlag

Hatte sich das Darmstädter Institut Mathildenhöhe im Winter in einer großen Schau dem „Gesamtkunstwerk Expressionismus“ gewidmet, so legt derzeit das Frankfurter Museum Giersch mit einem kleineren Blick in die regionalen Verästelungen jener Kunstrichtung am Anfang des letzten Jahrhunderts nach. Mit „Expressionismus im Rhein-Main-Gebiet“ wurde die Ausstellung treffend betitelt, denn nicht einzelne Künstler oder Stilrichtungen stehen im Vordergrund, sondern vor allem die Spuren, die diese Kunst in Frankfurt am Main und näherer Umgebung hinterlassen hat.

Das seinerzeitige Wirken war vor allem durch zwei Anfang der zwanziger Jahre aktive Künstlergruppen geprägt. Zum einen existierte die 1919 von dem Autor Kasimir Edschmid mitgegründete „Darmstädter Sezession“, zum anderen bildete sich 1920 die kurzlebige Frankfurter Gruppe „Ghat“ um die Maler Hanns Ludwig Katz, Emil Betzler und Gottfried Diehl. Hinzu kamen Einzelkünstler wie Ernst Ludwig Kirchner und Max Beckmann, die Kriegstraumata expressionistisch verarbeiteten, oder der abstrahierende Exilant Alexej von Jawlensky.

Offenbar trafen die Arbeiten in Frankfurt bei Händlern und Sammlern auf Resonanz. Es kam zu Ausstellungen, rasch fand sich Eingang in Museumssammlungen. Bei soviel einflußreicher Fürsprache verlor sich jedoch der von dieser Kunstrichtung propagierte gesellschaftskritische Anspruch schnell, und man zog allenfalls durch spätere Verfolgungen während der Zeit des Nationalsozialismus noch Bedeutung aus diesem Anspruch.

Die Frankfurter Schau präsentiert einen sehr heterogenen Ausschnitt mit Einzelwerken unterschiedlichster Künstler aus verschiedenen Sammlungen. Ölbilder, Holzschnitte und Plastiken wechseln einander ab – mal in gotischer Kantigkeit, mal farbenfroh-abstrakt oder naiv, Grobschlächtiges steht neben grazilen Kompositionen. Selbstbildnisse und Stadtbilder tauchen unter den vielen Motiven noch am häufigsten auf. Hinzu gesellen sich auffallend oft religiöse Themen. Ein roter Faden wird in dieser Schau schwerlich auszumachen sein, für einen Schnellkurs in Sachen Expressionismus ist sie aber bestens geeignet.

Die Ausstellung ist bis zum 17. Juli im Frankfurter Museum Giersch, Schaumainkai 83, täglich außer montags von 12 bis 19 Uhr, Freitag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, zu sehen. www.museum-giersch.de

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