© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

Menschenrechte für Menschenaffen
Recht auf Leben, Schutz der individuellen Freiheit, Verbot von Folter: Der australische Philosoph Peter Singer will Tieren Grundrechte zusprechen
Birgit Kelle

Für die Initiierung des „Great Ape Projekt“ (GAP) sollen am 3. Juni die italienische Philosophin Paola Cavalieri und der australische Philosoph Peter Singer in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt mit dem „Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung“ ausgezeichnet werden. Das Projekt fordert für Orang-Utans, Gorillas, Bonobos und Schimpansen einige jener Privilegien ein, die bisher nur für Menschen gelten: Recht auf Leben, Recht auf Freiheit und ein Verbot der Folter.

Die Stiftung will mit dem Preis, dotiert in Höhe von 10.000 Euro, das engagierte Eintreten der beiden für Tierrechte auszeichnen, wie Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon betont: „Wir Menschen sind nicht die Krone der Schöpfung, sondern evolutionär entstandene Organismen wie andere auch. Das sollte sich in einem verantwortungsvolleren Umgang mit der nichtmenschlichen Tierwelt niederschlagen, speziell in unserem Verhältnis zu jenen Lebewesen, mit denen wir unsere Evolutionsgeschichte seit Jahrmillionen teilen.“

Unterstützt von Künstlern, Philosophen und Wissenschaftlern sieht sich die Stiftung als eine Art Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung. In dieser Tradition hatte sie bereits im Jahr 2007 am Rande der Frankfurter Buchmesse einen Preis an den britischen Evolutionstheoretiker und Religionskritiker Richard Dawkins verliehen, der seinerzeit mit dem Buch „Der Gotteswahn“ den Glauben an eine christliche Schöpfungsgeschichte und die christlichen Kirchen scharf angegriffen hatte.

Damals wie heute sind die Preisträger höchst umstritten – gilt doch Peter Singer mit seinen Thesen zu Euthanasie und behinderten Menschen bereits seit den neuniger Jahren als ständiger Affront für Abtreibungsgegner, Kirchenvertreter und vor allem Behindertenverbände. In einem Interview, das der Australier im Jahr 2001 dem Magazin Der Spiegel gab, vertrat er unter anderem die These, daß behinderte Babys auch bis 28 Tage nach der Geburt noch mit dem Einverständnis der Eltern getötet werden dürften.

Dabei beruft Singer sich auf eine Tradition bei den alten Griechen, die einst Kinder, die ihnen unzumutbar erschienen, in den Bergen aussetzen durften. Eine Euthanasie auch von geborenen Kindern, unabhängig ob nun behindert oder nicht, begründet Singer auf seiner Theorie, daß Säuglinge in diesem Alter noch keine „Person im empirischen Sinn“ mit eigenem Rechtsstatus seien, da sie noch nicht über ein Bewußtsein ihrer Selbst verfügten. Die Entscheidung, ob ein Kind also leben darf oder nicht, legt Singer in die Hände der Eltern, Menschenwürde im Sinne des Grundgesetzes steht den Neugeborenen also nicht qua Gesetz zu, sondern muß erst erteilt werden.

Das Anknüpfen des Lebensrechtes eines Menschen an dessen Bewußtseinsstatus lehnen nicht nur Rechtswissenschaftler in Deutschland mehrheitlich ab. Betroffen von so einer Definition wären auch bewußtlose Menschen, Koma-Patienten und geistig Behinderte, bei denen eventuell gar nicht klar zu definieren ist, in welchem Ausmaß sie sich ihrer eigenen Existenz bewußt sind.

Es erstaunt in diesem Zusammenhang um so mehr, daß Singer nun Menschenaffen einen Rechtsstatus zusprechen will, den er manchen Vertretern seiner eigenen Spezies verweigert.

Die Giordano-Bruno-Stiftung beeilte sich, auf ihrer Internetseite eine ausführliche Stellungnahme zu der Kritik am geplanten Preisträger zu veröffentlichen. Man würde allein schon aus humanistischen Gründen niemals einen Mann auszeichnen, der „Hetze gegen Behinderte“ betreibe, so Vorstandssprecher Schmidt-Salomon. Die öffentliche Kritik an Singer gleiche einer „skandalösen Rufkampagne“, die auf Mißverständnissen, Fehlinterpretationen und böswilligen Unterstellungen beruhe. Das zitierte Spiegel-Interview mit Singer sei „geradezu ein Musterbeispiel für schlechten bzw. politisch manipulativen Journalismus“. Dazu muß man wissen, daß Singer das Interview autorisiert und seine Aussagen auch nie zurückgenommen hat, dennoch kommt Schmidt-Salomon zu dem Urteil, Singer sei „einer der klarsten und zugleich mitfühlendsten Denker unserer Zeit“.

Giordano Bruno wurde als Ketzer verbrannt

Die öffentlichen Stellungnahmen der Stiftung sind von einem ausgeprägten Atheismus gekennzeichnet. Sie ist benannt nach dem Wissenschaftler Giordano Bruno, der im Jahr 1600 von der „Heiligen Inquisition“ für seine Thesen als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde und dem man, so die Stiftung, in seiner „modernen Religionskritik“ nachfolge. Zuletzt hatte sie sich in der aktuellen deutschen Debatte um die Neuregelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) mit einer eigenen Stellungnahme zu Wort gemeldet.

Darin fordert man eine großzügige Zulassung von PID. Der Gesetzgeber habe in einem liberalen Gemeinwesen nicht das Recht, überhaupt ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik festzuschreiben. Grundsätzlich sollten alle Menschen, die den Weg einer künstlichen Befruchtung wählten, die Möglichkeit zur PID haben. In der Begründung heißt es, frühe menschliche Embryonen, die keinerlei Empfindungsfähigkeit besitzen, könnten nicht auf eine Stufe mit menschlichen Personen gestellt werden. Daß Embryonen „heilig“ und somit für medizinische Zwecke unantastbar seien, beruhe auf „metaphysischen (meist religiösen) Überzeugungen, die keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können.“

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