© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

Frisch gepresst

Kolberg. Trüge die alte pommersche Hafenstadt Kolberg heute nicht einen polnischen Namen, könnte man sich Ulrich Gehrke gut vorstellen, wie er, ob seiner Verdienste als Lokalhistoriker inzwischen mit der Ehrenbürgerwürde des Ostseebades ausgezeichnet, an der Persante seinen Lebensabend verbringt. Statt dessen sitzt er seit Jahrzehnten in Hamburg und schreibt unübertreffliche Bücher über seinen Kolberger Sehnsuchtsort. Sein jüngstes Werk sprengt allerdings die engeren stadthistorischen Grenzen, da es in Gefilde nationaler Mythologie vorstößt. Gehrke rekonstruiert die Entstehung des filmischen, am 30. Januar 1945 uraufgeführten Monumentaldramas „Kolberg“, das die französische Belagerung der preußischen Festung im Jahre 1807 in Szene setzte. Unter der Regie Veit Harlans zeigt der große Heinrich George ein letztes Mal seine göttliche Kunst, wenn er als Bürgerrepräsentant Nettelbeck den Widerstand gegen Napoleons Militärmaschinerie organisiert. Doch die akribisch recherchierte Entstehungsgeschichte des Films weitet sich bei Gehrke zu einem aufklärerischen Lehrstück über bundesdeutsche Daseinsverfehlung, gespiegelt im bewältigungsgesättigten Umgang mit diesem cineastischen Erbe des Dritten Reiches. (ob)

Ulrich Gehrke: Veit Harlan und der „Kolberg“-Film. Selbstverlag des Autors, Hamburg 2011, gebunden, 456 Seiten, Abbildungen, 39,60 Euro

 

Autarkie. Es kriselt. Auch das Vertrauen in eine funktionierende Versorgung nimmt ab. In den USA ist daraus bereits ein Trend zur Selbstversorgung erwachsen, der Hühnerzucht und Balkonbeete selbst „Downtown“ florieren läßt. Genauso erblüht auf dem Büchermarkt eine Fülle von Ratgebern zur Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln „nach dem Zusammenbruch“. Während jedoch Autoren wie das Ehepaar Grandt mit ihrem „Handbuch zur Selbstversorgung“ (JF 10/11) den speziellen Gedanken des „Überlebens in der Krise“ konkretisieren, kann das in deutscher Übersetzung vorliegende Werk des US-Amerikaners Brett L. Markham hiesige Routiniers des Herausziehens von Karotten aus der eigenen Scholle kaum beeindrucken. Denn die propagierte Idee des „Mini-Farming“ ist in Deutschland spätestens seit der städtischen „Armen- und Specialgärten“ des Moritz Schreber ein alter Hut. (bä)

Brett L. Markham: Mini-Farming. Autark auf 1.000 Quadratmetern. Kopp-Verlag, Rottenburg 2011, gebunden, 229 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

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