© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Warten auf den Aufstand
Marcus Schmidt

Ist das jetzt der kommende Aufstand in der CDU? Ein Rinnsal, aus dem ein reißender Strom wird, der Angela Merkel aus dem Konrad-Adenauer-Haus und dem Kanzleramt spült? In den vergangenen Tagen mehrten sich jedenfalls die Stimmen innerhalb der Partei, die sich angesichts der Wahlniederlage in Bremen und dem schwindelerregenden Kurswechsel in der Energiepolitik kritisch mit dem Zustand der Union auseinandersetzten.

So meldeten sich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gleich drei CDU-Landespolitiker zu Wort. Der hessische Fraktionsvorsitzende Christean Wagner kritisierte in einem Gastbeitrag mit Blick auf seine Partei ein „Defizit an programmatischer Erkennbarkeit“. Wagner fordert die CDU auf, sich endlich wieder deutlicher von SPD, Grünen und Linkspartei abzugrenzen und für Eigenverantwortung, die Mündigkeit der Bürger, für Freiheit und soziale Marktwirtschaft, Christentum, Nation, Heimat, Familie und Tradition einzutreten. Ähnlich äußerte sich die brandenburgische Partei- und Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig. Sie sagte, es sei immer gut, den Zeitgeist zu begreifen, aber nicht, ihm hinterherzulaufen. Und der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Mike Mohring, mahnte an, daß das Profil der CDU für die Wähler klar erkennbar sein müsse. 

Die drei Landespolitiker sind keine Ersttäter, sondern hatten bereits im vergangenen Jahr in derselben Zeitung (zusammen mit dem sächsischen CDU-Fraktionschef Steffen Flath) als Reaktion auf die „Berliner Erklärung“, mit der die Partei Anfang 2010 programmatisch auf den Kurs Richtung „moderne Großstadtpartei“ getrimmt wurde, Merkel Profillosigkeit vorgeworfen. Die vier CDU-Funktionäre könnten also mit gutem Recht dem konservativen Flügel der Union zugerechnet werden – wenn es einen solchen denn noch geben würde. Doch reicht ihre Schwungmasse, um einen Aufstand anzustoßen?

Für eine kleine Überraschung sorgte in diesem Zusammenhang Philipp Mißfelder, der in Berlin zwar dem Umfeld der konservativen Merkel-Kritiker zugerechnet wird, der sich bislang aber immer bedeckt hielt, wenn es ernst wurde. Doch seit dem Wahldesaster an der Weser kritisiert der 31 Jahre alte Chef der Jungen Union ungewohnt offen den Kurs der Partei. „Unsere sogenannte programmatische Öffnung zeigt keine Wirkung“, beklagte er jetzt in der Welt. Gleichzeitig verschrecke die CDU in ihren Hochburgen immer mehr Wähler, die nicht verstehen könnten, warum die Partei sich in einen Überbietungswettbewerb mit den Grünen begebe. Eine besondere Spitze hatte Mißfelder für den Vorschlag von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe parat, in den Großstädten künftig mehr Künstler als Kandidaten aufzustellen. „Vielleicht“, sagte der JU-Chef, „sollten wir es einmal mit einem Clown versuchen ...“

Kommt also der Aufstand gegen Merkel? Im Konrad-Adenauer-Haus bleibt man gelassen, schließlich geht es bislang „nur“ um den Kurs der Partei. Merkel selbst wird nicht in Frage gestellt. Noch nicht.

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