© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

Erholung für die Seele
Ferienzeit: Immer mehr Menschen machen Urlaub im Kloster
Georg Alois Oblinger

Der Deutsche fährt im Urlaub längst nicht mehr nur nach Spanien oder Italien. Exotische Reiseziele sind heute keine Ausnahme und selbst für den Mittelstand finanzierbar. Doch seit einigen Jahren gewinnt auch eine alternative Form stetig an Bedeutung: der Urlaub im Kloster. In einer immer stressigeren Arbeitswelt sehnen sich viele Menschen nach einer Auszeit, nach Ruhe und Besinnung. Dabei geraten auch die Grundfragen des Lebens wieder stärker ins Blickfeld.

Die Klöster lassen etwas von jener Sehnsucht erahnen, die jedem Menschen innewohnt und die der heilige Augustinus in die Worte gefaßt hat: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“

Klöster sind Orte der Ruhe und des Gebetes, und diese beiden Aspekte bedingen einander gegenseitig. Benediktinerklöster finden sich in der Regel abseits besiedelter Ortschaften, meistens auf einem Berg oder einer kleinen Anhöhe gelegen. Bernhard von Clairvaux hingegen hat für seine Zisterzienserklöster oftmals abgelegene Täler gewählt. So konnte gewährleistet sein, daß das Gebetsleben der Mönche nicht durch das hektische Treiben in den Städten gestört wird.

Die Ruhe und Beschaulichkeit, die von den Klöstern ausgeht, übte zu allen Zeiten eine große Faszination aus. Nicht zuletzt waren die Klöster gerade durch ihren alternativen Lebensstil über Jahrhunderte hinweg kulturprägend. Dies zog viele Gäste an. Heute kommen außer den leiblichen Verwandten der Klosterbrüder und -schwestern sowohl Gäste aus Politik und Wirtschaft als auch junge Menschen, die selbst einen Ordenseintritt erwägen.

Gastfreundschaft wurde von jeher in den Klöstern großgeschrieben. Die mehr als 1.500 Jahre alte Benediktregel, welche für die meisten kontemplativen Klöster grundlegend ist, widmet ihr das gesamte 53. Kapitel. Jeder Gast soll aufgenommen werden. So verfügte jedes Kloster über Gästezimmer, viele gar über einen eigenen Gebäudetrakt, damit der Gast das streng geregelte Leben der Mönche nicht stört. Zutritt in die Klausur, den Wohnbereich der Mönche oder Nonnen, haben sowieso nur Einzelgäste, die auch am geistlichen Leben teilnehmen und die klösterlichen Zeiten des Schweigens respektieren: ausschließlich Männer in einem Männerorden, ausschließlich Frauen in einem Frauenorden. Wer die Frage der eigenen Berufung für sich klären möchte, entscheidet sich gerne für einige Wochen „Kloster auf Zeit“.

Will sich jemand einfach eine Auszeit gönnen, so wohnt er im Gästehaus mit eigener Verpflegung und kann in freier Entscheidung an den Gebetszeiten teilnehmen, sofern er dies möchte, oder einfach nur die Atmosphäre des Klosters und seiner Umgebung auf sich wirken lassen. So kommen Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen, die hier Ruhe suchen oder an Wendepunkten des Lebens für sich selbst wichtige Fragen klären wollen.

Laut Statistik sind ein Viertel der Menschen, die Tage im Kloster verbringen, unter dreißig Jahre alt, 50 Prozent sind zwischen dreißig und sechzig und nur 25 Prozent sind über sechzig Jahre alt. Generell findet man hier die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Auch was die religiöse Sozialisation und den geistlichen Erwartungshorizont betrifft, bietet sich eine breite Palette. Es gibt einige, bei denen die Erholung und der Wellness-Aspekt im Vordergrund stehen. Doch da Angebote dieser Art heute auf dem Reisemarkt sehr zahlreich sind, kommen Wellness Suchende immer seltener ins Kloster. Das geistliche Interesse überwiegt bei der überwiegenden Mehrzahl der Gäste. Nicht selten sieht man diese daher schon um 5 Uhr in der Frühe beim ersten Chorgebet in der Klosterkirche. Und so manch einer fragt nach der heiligen Messe, wann denn ein Pater Zeit hätte für ein geistliches Gespräch. Das ist wirklich Urlaub der ganz anderen Art.

Der Trend hält an. Immer mehr Menschen entscheiden sich für diese alternative Variante. Sie haben erkannt: Der Mensch besteht aus Leib und Seele. Gerade im Urlaub sollte auch die Seele nicht zu kurz kommen.

 www.kloster-aktuell.de

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