© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

Die Kündigung, die es nie gab
Ukraine: dpa verbreitet eine Falschmeldung und zeichnet damit ein düsteres Bild von der Lage der Pressefreiheit
Kateryna Makarenko

Westliche Medien und Organisationen zeichnen ein düsteres Bild von der Lage der Pressefreiheit in der Ukraine. Unter dem eher prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch sei diese in Gefahr. In der Rangliste der Pressefreiheit der „Reporter ohne Grenzen“ rutschte das Land um 42 Plätze ab und liegt jetzt auf dem 131. Platz (von 178).

Andererseits glaubt nach einer Umfrage der Deutschen Welle gerade mal ein Viertel der Ukrainer, die Pressefreiheit sei in ihrem Land nicht gewährleistet. Wer liegt falsch: die Ukrainer oder das Ausland? Die Ursache für das Auseinanderklaffen von Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung könnte an Geschichten wie der von Ljudmila Sawtschenko liegen.

Bis zum 12. Mai kannte kaum jemand in der Ukraine und niemand in Deutschland die Leiterin des meteorologischen Dienstes der Ukraine. Am 18. Mai jedoch meldete die Nachrichtenagentur dpa mit einiger zeitlicher Verzögerung: „Ukrainische Moderatorin nach Polit-Kritik gefeuert.“ Der Text wurde von vielen Zeitungen und Netzseiten ungeprüft übernommen.

Was war geschehen? Der Wetterbericht vom 12. Mai. Er könnte in die Geschichte der Pressefreiheit in der Ukraine eingehen. Ljudmila Sawtschenko wurde zu  einer Sendung eingeladen und sollte sich live zum Wetter äußern. Doch sie schob zwei Sätze hinterher, die ihr aus der Sicht der Opposition den Status einer Heldin der Nation verleihen. Sie sagte: „Dieses wunderbare Wetter ist ein Ausgleich, mit dem uns die Natur beschenkt für all das Chaos, die Gesetzlosigkeit und Ungerechtigkeit, die in unserem Land herrschen. Unvorstellbar, wie man diesen paradiesischen Ort auf dem Planeten, dieses Land und das ukrainische Volk nicht liebt und so quält.“

Wenig überraschend: Sawtschenkos auf die Janukowytsch-Regierung gemünzte Kritik hat eine Diskussion über die Presse- und Meinungsfreiheit ausgelöst und zur Abschaffung der Live-Berichterstattung beim Wetterbericht geführt. Sie hat jedoch mitnichten die Kündigung der Meteorologin nach sich gezogen, wie es die Agenturmeldung verheißt: Frau Sawtschenko wird nicht mehr zu Rundfunksendungen eingeladen. Das ist alles.

Reingefallen: Die Welt war nach der dpa-Falschmeldung voll des Lobes für die „kritische und mutige“ ukrainische Wetterexpertin

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