© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

„Meine Meinung über die USA hat sich geändert“
Libyen: Teestunde mit einem Fundamentalisten / Rebellenchef Abdul Hakim al-Hasadi plädiert für eine stärkere Rolle des Islam
Billy Six

Derna ist anders. Die 100.000-Einwohner-Stadt an der ostlibyschen Mittelmeerküste ist grüner als andere Städte des Landes. Das bezieht sich auf die Vielzahl an Bäumen in dem relativ regenreichen Gebiet. Aber auch auf das Banner des salafistischen Islam. Mittelpunkt des gesellschaftlichen und seit dem 16. Februar 2011 auch revolutionären Lebens ist die über 30 Meter hohe Sahaba Moschee im Zentrum der Stadt. Direkt daneben: Märtyrergräber von Gefolgsleuten des Propheten Mohammed aus dem 7. Jahrhundert. Und elf frische Gräber – Gefallene im Kampf gegen Muammar al-Gaddafi.

 Ihre Namen haben keine überregionale Bekanntheit erlangt. Dafür jener eines Mannes, der nicht tot ist: Abdul Hakim al Hasadi. Der 46jährige gilt für die Regierung in Tripolis wie für manchen Reporter als Repräsentant von al-Qaida in Libyen. Der Bitte nach einem Gespräch ist er spontant nachgekommen. Bei einem Freund wird schwarzer Tee serviert. Alle sitzen auf dem Teppichboden.

 Hakim hat 2001 mit Kalaschnikow und Panzerfaust im Afghanistan-Krieg auf Seiten der Taliban gekämpft. „Die USA haben damals ein fremdes Land überfallen, gemeinsam mit lokalen Kriminellen, der Nordallianz“, sagt der kräftig gebaute Mann. Seine Augen strahlen Strenge aus, aber ab und zu zeigt sich doch ein Lächeln im Gesicht. Er habe diesen Kampf nicht gesucht, macht der ehemalige Koran- und Geographie-lehrer deutlich. „Ich habe mich und meine Glaubensbrüder verteidigt.“

 Nach Afghanistan zog er bereits 1997. Dschalalabad im Osten, nicht weit von der pakistanischen Grenze. Damals herrschten die Taliban über weite Teile des gebirgigen Landes. Sie hätten ihm eine neue Heimat geboten – ohne Visum und Papiere. Als Arabischlehrer habe er sein Einkommen bestritten. Eine neue Phase der Ruhe nach zwei Jahren auf der Flucht vor Muammar al-Gaddafi. Seinen Zorn habe er auf sich gezogen mit der diskreten Verteilung von regierungsfeindlichen Schriften. Als die Sache aufflog, habe er noch rechtzeitig fliehen können, sich aber weder im Sudan noch in Syrien, Ägypten oder der Türkei vor libyschen Hintermännern und Politgeschäften sicher gefühlt. Afghanistan – für viele ein Ort des Leidens. Für Hakim ein Ort der Freiheit.

 Ja, er habe saudi-arabische al-Qaida-Anhänger getroffen. Zu 90 bis 99 Prozent wäre er sich auch sicher, daß Osama Bin Laden die Terroranschläge vom 11. September zu verantworten habe. Klar distanzieren mag er sich von dem vor kurzem getöteten al-Qaida-Anführer nicht. „Sollte er etwas getan haben, was der Koran verbietet, bin ich gegen Osama Bin Laden. Ansonsten geht es hier nur um die Befreiung Libyens – sonst nichts.“ Auf weitere Nachfragen verweist er nur auf historische Taten der Amerikaner: Hiroshima, Abu Ghraib, Falludscha - und die unislamische Bestattung Osama Bin Ladens im Meer.

 Getroffen habe er den Saudi nie. Ausländer für den Krieg gegen Gaddafi seien nicht zu ihm gekommen – er kämpfe nicht einmal selbst an der Frontlinie. Aber daß der Islam künftig eine stärkere Rolle im libyschen Staatssystem spielen müsse, und es für Frauen am besten wäre, die Burka zu tragen – immerhin dieses Gedankengut hat Hakim in seine Heimat mitgebracht.

 Auf dem Weg zum Auto doch noch eine Überraschung: „Meine Meinung über die Amerikaner hat sich geändert. Diesmal helfen sie Muslimen, statt sie zu unterdrücken. Das werden wir ihnen nie vergessen.“

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