© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

„Politiker wissen nicht, worüber sie entscheiden“
Euro-Krise I: Jahrestagung der Hayek-Gesellschaft diskutierte in Freiburg über die Zukunft der Währungsunion / Ausweg über Inflationierung der Staatsschulden?
Klaus Peter Krause

Milliarden-Hilfen für Griechenland und keine Ende? Über diese Frage diskutierte vorige Woche in Freiburg die Hayek-Gesellschaft bei einem Symposion. Der Ökonom Joachim Starbatty und der Politikwissenschaftler Erich Weede sehen tiefschwarz: Diese Währungsunion war und ist falsch, die Euro-Länder sind für sie zu unterschiedlich, der Bruch des Nicht-Beistandsgebots im Maastricht-Vertrag ist als schwerer Regelverstoß das Unglück schlechthin, die Währungsunion verkommt zur Schuldenhaftungs- und Transferunion, wird zu einer Inflationsgemeinschaft – diese Union so fortzusetzen, führt in den Abgrund.

Die Wirtschaftswissenschaftler Alois Oberhauser und Lars Feld wiegeln ab, wollen von dem „Untergangsszenarium“ nichts wissen. Oberhauser erinnert an die Weltwirtschaftskrise von 1929, die sei doch viel „massiver“ gewesen „als das, was wir jetzt haben“. Der Wohlstand heute sei doch 500 Prozent höher als damals. Die Staatsverschuldung sei „nicht überbordend“. Durch die expansive Nachfragepolitik des Staates sei es zu höherer Beschäftigung und höherem Wohlstand gekommen, so Oberhauser. Felds Mißvergnügen äußerte sich differenzierter. Das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wandte sich gegen Starbattys vehemente Warnung, wenn Griechenland aus der Währungsunion nicht aussteige, werde diese zur ungehemmten Transferunion. Doch Feld leugnet nicht, was droht, wenn Griechenland weiter vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt wird und andere überschuldete Euro-Staaten dann ebenfalls mit Unsummen gerettet werden müßten, nämlich: daß sich die EU übernimmt, daß es die Steuerzahler der Retterstaaten überfordert und damit die Zustimmung der Bürger zur EU-Integration überstrapaziert.

 „Was können wir tun, um die Situation zu verbessern?“ fragt Feld. Im Fall Griechenland plädiert er kurzfristig für eine Umschuldung, an der die privaten Gläubiger zu beteiligen sind. Das Problem sei aber die kompromißlose Haltung der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen eine Umschuldung. Und Starbatty sieht hierbei den Haken: „Wo ist bei der Umschuldung die Sanktion?“

Umschuldung heiße doch, Griechenland müsse von seinen Schulden nur noch die Hälfte zurückzahlen, käme also nicht nur straflos, sondern sogar mit einem Vorteil davon, eine Ermunterung zu noch mehr Staatsverschuldung. Es fehle die Haftung. Politiker müßten für das, was sie entscheiden, nicht haften. Müßten sie es, wäre ihre Politik anders. „Es ist bei der Umschuldung unser Geld, nicht das von Schäuble und den anderen Politikern.“

Das Symposium „Was wird aus unserer Währung? Perspektiven der Europäischen Währungsunion“ war Endpunkt der Jahrestagung der Hayek-Gesellschaft, mit teils heftigen Schlaglichtern: „Das freiheitliche Wirtschaftssystem hat Vorrang. Wenn dies mit Europa geht, ist es gut. Wenn nicht, müssen wir Europa opfern. Die Verteidigung des ’Kapitalismus‘ ist wichtiger als die europäische Einheit“, argumentierte Weede ganz im Sinne des Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek.

„Es ist falsch zu behaupten, daß Europa kaputtgeht, wenn der Euro kaputtgeht“, meinte Starbatty. „Die Politiker wissen nicht, worüber sie wirklich entscheiden, haben keinen Sachverstand, was sich zeigt, wenn sie über die Währungsunion reden. Sie machen eine Vogel-Strauß-Politik.“ Auch der Kölner Unternehmer Peter Jungen sprach Klartext: „Der Euro ist ein politisches Projekt gewesen. Das Projekt ist gescheitert. Die Politiker merken plötzlich, daß man mit Märkten nicht verhandeln kann, sind darüber böse und nennen sie Spekulanten. Die eigentlichen Spekulanten sind die Käufer der Griechenland-Anleihen.“

Auf die Frage eines Schweizer Teilnehmers, ob wir den Euro in zwei oder fünf Jahren noch haben und wie hoch dann die Inflationsrate sein wird, antwortete Regierungsberater Feld: „Wir haben den Euro noch, und die Inflationsrate wird nicht hoch sein.“ Auch Oberhauser glaubt an den Euro, „aber wir werden keine Preisstabilität bekommen“. Weede wird konkreter: „Wenn wir den Euro in zwei und fünf Jahren noch haben, dann haben wir eine Inflationsrate von fünf Prozent und darüber – mit steigender Tendenz.“

Starbatty ist noch skeptischer: „Beim Monetarisieren der Staatsschulden kommt Inflation immer. Daher ist es nicht möglich, die Inflationsrate bei fünf Prozent zu halten.“ Weedes Prognose ist düster: „Je vernünftiger ein Vorschlag um so geringer die Aussicht, daß er sich durchsetzt. Eine Umschuldung Griechenlands mit zum Beispiel 50 Prozent Schuldenerlaß kommt nicht, weil die Politiker einen zu kleinen Zeithorizont haben. Das Plausibelste ist daher: Die Krise wird verschleppt, und die Transferunion kommt.“

Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft: www.hayek.de

Foto: Finanzminister Schäuble (CDU) wirbt für neue Griechenland­hilfen: „Die Krise wird verschleppt, und die Transferunion kommt“

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