© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Bewußt ein großes Risiko eingegangen
Fußball-EM Polen / Ukraine 2012: Ineffiziente Vorschriften und schlampige Behörden bringen Zeitpläne ins Wanken
Paul Leonhard

Die Fußball-Europameisterschaft 2012 steht unter keinem guten Stern. Spätestens Ende Juni sollten alle acht von der Uefa bestätigten Spielstätten in Polen und der Ukraine fertig sein. Bespielbar sind aber lediglich drei Stadien. Beispiel Warschau: Die für August geplante Motorradshow Red Bull X-Fighters ist abgesagt. Das für Anfang September geplante Länderspiel Polen  gegen Deutschland wird verlegt. Im Mai offenbarte ein Unwetter, daß das Dach des neu errichteten Nationalstadions undicht ist. Zur Zeit verhandeln Vertreter des Nationalen Sportzentrums (NCS) und des österreichischen Konzerns Alpine darüber, wie es weitergeht. Nach polnischen Presseberichten verlangt Alpine zusätzliche 60 Millionen Euro, während die NCS mit Kündigung des Vertrags und Schadensersatzforderungen droht. Bauverzögerungen von bis zu zehn Monaten befürchtet die Zeitung Dziennik Gazeta Prawna.

Nicht nur aus Warschau kommen alarmierende Nachrichten. Man sei besorgt, teilte der polnische Fußballverband PZPN Ende Mai mit Blick auf Danzig mit. Dabei war der Neubau der PGE Area Gdansk einst von der Uefa als bestes Projekt gewürdigt worden. In Breslau rechnete Oberbürgermeister Rafal Dutkiewicz schon Ende 2009 dem polnischen Unternehmen Mostotal vor, daß dieses bei gleichbleibendem Bautempo erst 2018 fertig werde. Er kündigte den Vertrag und holte das deutsche Bauunternehmen Max Bögl.

Überall ist der Zeitplan der Stadienbauten durcheinandergeraten. Die letzte Erfolgsmeldung war die Einweihung des umgebauten Stadions von Posen mit einem Konzert von Sting am 20. September 2010. Die Arena ist die einzige der vier polnischen EM-Spielstätten, die schon genutzt werden kann. Dazu kommen mit Charkow und Donezk zwei Stadien in der Ukraine, die bereits den Uefa-Anforderungen entsprechen. Für das NSK Olimiyskyi in Kiew haben sich die Baukosten mit knapp 600 Millionen Euro gegenüber der ursprünglichen Kalkulation fast verdoppelt. Bereits im Herbst 2010 bemängelte die Uefa die schleppenden Vorbereitungen in der Ukraine. Es sei außerhalb jeder Vorstellungskraft, daß die Infrastrukturvorhaben rechtzeitig 2012 fertig werden, konstatierte die Süddeutsche Zeitung bereits im Oktober. Man sei mit der Vergabe der EM an Polen und die Ukraine „bewußt ein großes Risiko eingegangen“, räumte Uefa-Präsident Michel Platini ein.

Auch auf den Straßen droht ein Chaos. Von den geplanten 6.000 Kilometern Autobahnen und Staatsstraßen ist erst ein Bruchteil gebaut. Experten gehen davon aus, daß in Polen bis zur EM maximal 1.000 Kilometer fertig sein werden. Vor dem Aus steht die Autobahn nach Warschau. Nach Streiks der einheimischen Subunternehmen hat der chinesische Staatskonzern Covec Anfang Juni aufgegeben. Er hatte den Zuschlag für knapp 50 Kilometer Autobahn unter anderem auf der A2 zwischen Strykow und Konotopa östlich von Lodz erhalten. Jene Strecke wäre insbesondere für deutsche Fußballfans wichtig gewesen, die über Frankfurt/Oder oder Görlitz zu den Spielen reisen wollen. Für diese ist auch die Eisenbahn keine Alternative. Denn die Trassenerneuerung durch die Polnische Staatsbahn ist ins Stocken geraten. Im Zeitplan liegen nur die Flughäfen.

„Ineffiziente Vorschriften und schlampige Behörden“ sind nach Ansicht der Dziennik Gazeta Prawna schuld, daß selbst westliche Unternehmen ihre ehrgeizigen Vorhaben nicht umsetzen können. In Polen könne man „nun mal Autobahnen nicht schnell bauen“. Die polnische Politik bleibt trotzdem optimistisch. „In keinem anderen europäischen Land werden Stadien so schnell gebaut, wie in Polen“ macht Sportminister Adam Giersz Mut. Und Premier Donald Tusk versichert: Die vorgesehenen Termine würden gehalten, das Eröffnungsspiel wie geplant am 8. Juli 2012 im Warschauer Nationalstadion statt.

Foto: Baustelle Nationalstadion Warschau: Im Mai offenbarte ein Unwetter, daß das Dach undicht ist

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