© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Der Flaneur
Warmer Sommerregen
Felix Springer

Auf meinem Heimweg säubert ein warmer Sommerregen die staubige Luft. Große Tropfen beschließen ihre Reise aus den Wolken mit dem Einschlag in unsere Welt, im Verlust ihrer millionenfach identischen Form benetzen sie Baum und Beton.

So prasselt das Wasser auch auf meine Jacke und bündelt sich in filigranen Rinnsalen. Die Reste einer schnell bezwungenen Frisur kleben mir wirr an Stirn und Schläfe, kleine Perlen zittern von der fachmännisch festgepreßten Naht meines Lederschuhs, geführt vom ungebrochenen Rhythmus gerader Schritte. Entlang der Fuge zwischen Bordstein und Asphalt verleiht das lauwarme Naß der toten Materie unserer Zivilisation die einzig konsequente Richtung und spült mir bunten Verpackungsmüll entgegen.

Ich passiere einen Supermarktparkplatz. Dort ist alles durcheinander – alle versuchen, möglichst nah am Eingang zu parken. Ich frage mich, ob wohl schon ein Wagen im Foyer steht, die Behindertenparkplätze sind jedenfalls bereits belegt. Die Einkäufer nehmen hektisch die kürzesten Wege und verstecken ihre Gesichter in flatternden Kapuzen. Eine Frau hält sich ihre Tüte über den Kopf, ihr jugendlicher Begleiter bemüht sich angestrengt, aber genau deshalb erfolglos um den Erhalt seiner Lässigkeit. Die Leute bewegen sich gebückt und zeigen der Welt ihre leidende Grimasse, als hofften sie, vom Regen aus Mitleid verschont zu werden.

Die vollklimatisierte Welt der Biogemüseabteilungen und der allergikergeeigneten Autoinnenräume wird unter dem Zwang der Elemente unterbrochen, für wenige Sekunden bricht die Realität in das sterile Leben der Supermarkt-Konsumenten ein. Der heftige Regen durchnäßt den fahrig kriechenden Menschenstrom nicht weniger als mich, denke ich und setze meinen Weg fort.

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