© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

Zweifel ist die erste Bürgerpflicht
Euro-Rettung II: Der Bundestag hat die Pläne der Regierung abgenickt / Der Widerstand dagegen war marginal
Paul Rosen

Aus Sicht der Regierenden in Berlin ist alles wieder einmal gutgegangen. Der Bundestag geht in die bis September dauernde Sommerpause, und wegen der neuen 120 Milliarden Euro, die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds an Griechenland ausreichen, hat es keinen Aufstand von um den Staatshaushalt besorgten Politikern gegeben. Das Volk blieb ohnehin ruhig.

Erst im Herbst, wenn Deutschland sich verpflichten muß, rund 20 Milliarden Euro in den ständigen Euro-Rettungsfonds in bar einzuzahlen und Garantien über dreistellige Milliarden-beträge zur Stabilisierung des kollabierenden Währungssystems bereitzustellen, stellt sich die Frage nach der eigenen Mehrheit für Kanzlerin Angela Merkel. Die Griechenland-Debatte fand nur in der Wirtschaft und in den Medien statt. In Anzeigenserien bekämpften sich Groß- und Familienunternehmer mit Argumenten für und gegen die Euro-Rettung. Lediglich der seit seinen Islam-Äußerungen recht unauffällig gebliebene Bundespräsident Christian Wulff faßte das allgemeine Unbehagen in Worte zusammen und meinte, er sei „in Sorge um mein Europa“. Und führte fort: „Etwas Grundsätzliches ist aus den Fugen geraten“. Das gilt allerdings nicht für den Euro allein, sondern für die gesamte ins Trudeln geratene Berliner Republik.

Zuvor hatten Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble einen – ihrer Ansicht nach – Joker aus dem Ärmel gezogen. Um die öffentliche Debatte auf einen Nebenschauplatz zu lotsen und zugleich dort aufzuheizen, verstärkten sie die Forderungen nach einer Beteiligung der „privaten Gläubiger“ an den Hilfen für Griechenland. Damit wollten sie in Deutschland weit verbreitete Neidgefühle hegen und pflegen.

Wenn schon Steuergelder für Griechenland ausgereicht werden müssen, dann ist es nur gut und richtig, auch die Großbanken und Milliardäre zu beteiligen, sollte die Botschaft sein. Nach einer hin- und herschaukelnden Debatte wurde schließlich mit den Banken eine Beteiligung von 3,2 Milliarden Euro vereinbart. Die Wahrheit fand sich fast nur im Wirtschaftsteil großer Zeitungen: 1,2 Milliarden der Summe landen bei den „Bad Banks“ von HRE und Westdeutscher Landesbank, also bei staatlichen Einrichtungen. Bei den übrigen Banken müssen die Landesbank Baden-Württemberg und die teilverstaatlichte Commerzbank größere Beträge schultern, so daß aus einer Beteiligung der privaten Gläubiger in Wirklichkeit eine Beteiligung des Steuerzahlers wird.

Daß in Sachen Euro ohnehin mit der Wahrheit sparsam umgegangen wird, war im Spiegel nachzulesen, der genußvoll ein Zitat Merkels vom 16. September 2010 brachte: „Eine Verlängerung der jetzigen Rettungsschirme wird es mit Deutschland nicht geben.“ Auch Schäuble bot Wetten an, daß aus dem provisorischen kein dauerhafter Rettungsschirm werde. Die Gesetze dafür werden von seinem Ministerium gerade vorbereitet.

Im Bundestag rührte sich nur minimaler Widerstand. Daß sei nicht die Gläubigerbeteiligung, die der Bundestag gefordert habe, beschwerte sich FDP-Finanzexperte Frank Schäffler. Er hat inzwischen ein Dutzend FDP-Abgeordnete hinter sich – zu wenig, um Merkels Mehrheit zu gefährden. Die Kanzlerin kann sich immer auf die SPD verlassen, die jede Hilfszahlung an Griechenland und andere Länder der Eurozone unterstützt. Das diszipliniert auch die CDU/CSU-Abgeordneten, die nur höchst ungern in das Bündnis mit der SPD zurückwollen, so daß nur wenige in der Union das Wort erheben. Etwa der Abgeordnete Manfred Kolbe, der laut Spiegel von einem „Etikettenschwindel“ sprach und für einen griechischen Schuldenschnitt votierte. Was derzeit stattfindet, ist nur der Versuch des Zeitgewinns für die politische Klasse auf Kosten des Steuerzahlers, der die ganzen Bürgschaften eines Tages auszugleichen hat.

Die Griechenland-Sache ist durch, Merkel und Schäuble haben sich über die Sommerpause gerettet. Im Herbst muß der ständige Rettungsschirm beschlossen werden, und wieder einmal werden Schulden mit neuen Schulden bekämpft. Verzweifelt appellierte Hans-Ulrich Jörges im Stern an das träge deutsche Volk: „Glaubt nichts! Zweifelt!“

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