© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

Demokratie à la Kreuzberg
Pro Deutschland: Grüner Bürgermeister verhindert mit Linksextremisten eine Wahlkampfveranstaltung
Henning Hoffgaard

Aufmerksam beobachten die Zivilbeamten der Berliner Polizei die Ankunft von immer mehr Linksextremisten. Sie wissen genau, was jetzt passiert. Während ein Teil der linken Demonstranten den Eingang zum Rathaus Kreuzberg blockiert, haben die meisten es sich bereits im Gebäude bequem gemacht. Treppen werden besetzt, Flure verrammelt und überall flattern Propagandaplakate, die vor den vermeintlich rechtsextremen Besuchern der Bürgerbewegung Pro Deutschland warnen. Sie hat an diesem 30. Juni eine Wahlkundgebung im Rathaus angemeldet (siehe Kasten rechts).

Besonders schlecht ergeht es jenen, die von den zahlreich erschienenen Antifa-Mitgliedern schon vorher als Besucher der Pro-Kundgebung erkannt werden. Erst habe eine Frau laut „Nazi“ geschrieen, dann hätten die ersten Gegendemonstranten auf ihn eingeschlagen, berichtet ein etwa 40 Jahre alter Berliner.

Am Ende wird er von einem türkischen Ordner aus dem Gebäude gezerrt und mit dem Hinweis, er solle ja nicht wiederkommen, der wartenden Polizei übergeben. „Ich wollte mir doch nur einmal anhören, welche Argumente die haben“, sagt er eingeschüchtert. Längst haben ihn die anwesenden Antifa-Journalisten entdeckt und beginnen ihn zu fotografieren. Mit schnellen Schritten läuft er daraufhin zum U-Bahnhof Mehringdamm und fährt nach Hause.

Die eigentlich geplante Kundegebung war da schon längst abgesagt. Ursprünglich wollten Mitglieder der Pro-Bewegung eine Informationsveranstaltung   abhalten. Das Recht dazu mußte sich Pro-Deutschland-Chef Manfred Rouhs allerdings erst juristisch gegen den Bezirk erstreiten. Dessen Bürgermeister, Frank Schulz (Grüne), unterlag dabei zwar nicht zum ersten Mal vor Gericht, versuchte aber dennoch die Wahlveranstaltung zu verhindern. Einen Aufruf gegen „Nationalismus“ und „rassistische Hetze“ unterschrieben neben zahlreichen Mitgliedern von SPD, Grünen und Linkspartei auch vom Verfassungsschutz beobachtete linksextreme Gruppen.

Mehr als 150 Personen und Initiativen versuchten so zum Protest zu mobilisieren. Am Ende kamen knapp 300 Gegendemonstranten, denen mehr als 500 Polizisten gegenüberstanden. Den Zugang zum Rathaus ließ Schulz den Beamten unter Hinweis auf sein Hausrecht jedoch verwehren. Statt dessen hatte er bereits Wochen vorher zahlreiche einschlägig bekannte Antifa-Gruppen in das Rathaus eingeladen. Als die Organisatoren der Pro-Bewegung um 18.30 Uhr am Rathaus eintreffen, sitzt Schulz am Fenster und beobachtet, wie die etwa 20 Pro-Mitglieder am Eingang von der Menge eingekesselt, beschimpft und bedroht werden.

Schließlich bricht die Polizei den Versuch ab, die Besucher in das Gebäude zu eskortieren. Laut ihrem Einsatzleiter  lehne es der Bürgermeister weiter strikt ab, die Polizei in das Gebäude zu lassen. Die Pro-Mitglieder verlassen daraufhin den Ort des Geschehens. Auch die Zivilpolizisten ziehen ab. Sie dürften sich allerdings schon auf ihren nächsten Einsatz vorbereiten. Rouhs kündigte bereits an, eine weitere Raumanfrage an den Bezirk zu stellen und auch diese juristisch durchzusetzen. „Wir üben das jetzt so lange, bis es funktioniert.“

 

Chronik

18. Oktober 2010: Zum ersten Mal beantragt Pro Deutschland die Überlassung eines Raumes im Kreuzberger Rathaus für April 2011.                                             

11. März: Gegenüber der taz droht der Bezirksbürgermeister Frank Schulz (Grüne): „Wenn die sich gerichtlich durchsetzen, werden sie eine Demo bekommen, die die Partei noch nicht erlebt hat.“

22. März: Mit Hinweis auf zahlreiche Veranstaltungen, vor allem von Linkspartei und Grünen, lehnt der Bezirk den Antrag ab.

24. März: Pro Deutschland beantragt einen Raum für Mai 2011.

11. April: Erneute Ablehnung des Bezirksamtes und sofortige Neubeantragung durch Parteichef Manfred Rouhs.

3. Mai: Mit Hinweis auf die tolerante „gesellschaftliche Ausrichtung“ des Bezirkes lehnt dieser erneut ab.

9. Mai: Rouhs klagt dagegen und bekommt am 16. Mai vom Verwaltungsgericht Berlin recht.

7. Juni: Das Bezirksamt kommt der Entscheidung des Gerichts nach und stellt einen Raum für den 30. Juni zur Verfügung.

30. Juni: Schulz lädt zahlreiche linke und linksextreme Gruppen in das Rathaus und verhindert so die geplante Veranstaltung.

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